Conan-Saga 52 - Conan und der Smaragd-Lotus
fleischfressenden Pilzen. Ethram-Fal glaubte, jede unterschiedliche Phase des seltsamen Lebenskreises zu verstehen. Um es zu füttern, ehe es wieder in Tiefschlaf verfiel, hatte er durch seine Soldaten ein Pferd über das Geländer des Balkons werfen lassen. Dazu waren sechs Männer mit Speeren nötig gewesen. Einer hatte einen Tritt abbekommen, der ihm einige Rippen brach. Das Pferd war neben den Lotus gestürzt. Erst als dieser das Blut aus den Wunden des Tiers roch, hatte er sich in Bewegung gesetzt. Zu jeder Zeit konnte man sich dem Lotus nähern und die Blüten ernten, vorausgesetzt, er roch kein Blut. Wie er das Blut aufspürte, mußte der Zauberer noch ergründen. Wenige Minuten nachdem das blutende Pferd auf der Seite gelandet war, hatte sich der Lotus blitzschnell auf das Tier gestürzt und zu fressen begonnen. Kaum gesättigt, hatte er sofort Blüten hervorgebracht, die noch leuchtender waren als die vorherigen, nachdem es das kleine Pferd gefressen hatte, das Ethram-Fal und Ath ihm vorgeworfen hatten. Beunruhigend war, daß der Lotus nach dem zweiten Pferd weniger zufrieden gewesen war. Nach der Blüte hatte er sich ruhelos in dem kreisrunden Gemach bewegt. Ethram-Fal fragte sich, ob er möglicherweise den Smaragd-Lotus überfüttert hatte. Sein Hunger schien grenzenlos zu sein, und mit der Aufnahme von Blut nahm er ständig an Größe und Kraft zu, ganz gleich, wieviel er bereits getrunken hatte. Der Zauberer hatte im runden Gemach nach unten geschaut. Dabei war ihm klargeworden, daß es ebenso töricht gewesen wäre, den Lotus zu überfüttern, wie ihn hungern zu lassen. Der Smaragd-Lotus mußte am Leben erhalten werden, doch wenn man ihn überfütterte, mochte es schwierig werden, ihn im Zaum zu halten. Beim letzten Mal hatte er sich nach der Fütterung beinahe eine Stunde lang heftig an den Wänden entlang bewegt und dabei den Rest des Pferdes mitgeschleift.
Der Lotus gab sein Opfer niemals auf. Es wurde ein Teil von ihm, eingesponnen in ihn. Jetzt war der Lotus gewachsen und eine Ansammlung harter Äste mit rasiermesserscharfen Dornen und üppigen smaragdenen Blüten. Nun war diese Alptraumpflanze fast mannshoch und bedeckte fast den gesamten Boden des Raums. Ethram-Fal wußte, daß im Lauf der Zeit die Blüten vertrocknen und abfallen würden. Danach wartete der dornige, struppige Lotus in einem schlafähnlichen Zustand auf die nächste Mahlzeit. Fütterte man ihm lange Zeit kein Blut, würde er die Knochen seiner Opfer dazu verwerten, Samen hervorzubringen. Dazu trieb er die schwarzen Sporen ins Mark und ließ die äußere Knochenhülle zu Staub zerfallen.
Es war faszinierend, aber auch enttäuschend. Obgleich der Zauberer ziemlich sicher war, daß er den Lotus kannte und ihn im Griff hatte, vermochte er nicht einmal ansatzweise, eine Theorie zu entwickeln, wie Cetriss ihn erschaffen hatte. Er war mit Sicherheit ein überaus fähiger Zauberer, der sich vor allem darauf verstand, Dinge wachsen zu lassen, doch hatte er nicht die leiseste Ahnung, wie man eine so unnatürliche Verbindung von Pflanze, Tier und Pilz erschaffen konnte. Es wäre schon ein gewaltiger Triumph gewesen, eine solche Substanz zu entwickeln und im Labor nur wenige Momente lang am Leben zu erhalten. Daß dieser Lotus aber nahezu unsterblich war und eine ungemein mächtige Droge lieferte, grenzte ans Unfaßbare.
Ethram-Fal setzte sich in der Wanne auf. Das Wasser hinterließ grüne Streifen auf seinen nackten Schultern. Er wischte sich die Stirn ab. Vielleicht hatten die Legenden recht, wonach Cetriss mit den Dunklen Göttern einen Pakt geschlossen hatte. Dann wäre der Zauberer sogar ein Mann mit beachtlichem Mut gewesen, nicht nur ein Könner in seinem Fach. Und wenn dem so war, waren alle seine Bemühungen, den Smaragd-Lotus irdischen Dimensionen zuzuordnen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Vielleicht war der Lotus an einem Ort erschaffen worden, wo die Naturgesetze, wie die Menschen sie kannten, nicht galten. Unter welch fremdem Himmel war der Smaragd-Lotus zum ersten Mal erblüht? Und wer hatte ihn als erster geerntet?
Im Gedanken an Cetriss' Leistungen verspürte Ethram-Fal eine für ihn ungewöhnliche Bewunderung. Kein Wunder – hatte nicht dieser Magier alles aufgegeben, um die Unsterblichkeit zu erringen? Verglichen mit seiner überragenden Größe, waren sämtliche großen Zauberer im Alten Stygien kaum mehr als Insekten gewesen. Ein Mann wie er hatte gewiß die gottähnliche Macht, sich über die schäbige
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