Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
über den Damm verfolgen. Eine Lücke, breiter als die königliche Straße, hatte sich in der Dammkrone aufgetan. Wassermassen schäumten hindurch. Nebel stieg vom Wasser auf, sodass der See nicht zu sehen war.
Die Feuer unter der Oberfläche tauchten den Nebel in alle Farben des Regenbogens. Conan hatte den Eindruck, dass der Zorn des Ungeheuers verebbte, doch immer noch tanzten die langen Fangarme im Nebel.
Conan blickte Marr an und wollte etwas sagen. Er erwartete keine Antwort, wollte auch nicht, dass er mit der Magie aufhörte, die er gegen das Ungeheuer einsetzte, aber er musste sich vergewissern, dass der Pfeifer noch die menschliche Stimme hörte. Conan öffnete den Mund, doch ehe er ein Wort sagen konnte, taumelte der Pfeifer, als habe man ihm einen Schlag gegen den Kopf versetzt. Conan packte ihn, sonst wäre er vom Pfad in den See hinabgerollt.
Wylla schrie auf. Der Cimmerier erwischte sie gerade noch am Knöchel. Kopfüber lag sie da und klammerte sich Halt suchend an einen Felsvorsprung.
Rainha benötigte keine Hilfe, und Aybas war so gefallen, dass er saß. Fluchend rieb er sich den Hintern. Kein Mann konnte ernstlich verletzt sein, der so laut fluchte.
Oyzhiks Schicksal war besiegelt, sobald Marrs Musik verstummte. Lediglich aufgrund der Magie des Pfeifers war er imstande gewesen, die Welt um sich herum einigermaßen wahrzunehmen. Conan sah den Verräter über die Klippen stürzen, Arme und Beine flatterten wie bei einer Kinderpuppe in der Luft.
Der Hauptmann tauchte nicht in den See. Ein riesiger Fangarm durchbrach den Nebel und schlang sich mühelos dreimal um Oyzhik und zerquetschte ihm Brust und Bauch. Blut quoll hervor. Dann verschwanden Fangarm und Opfer im Nebel.
Kaum war Oyzhik verschwunden, wurde sich Conan bewusst, dass er die Prinzessin und ihr Kind nicht gesehen hatte. Er blickte den Hang hinauf. Nichts. Auch kein herabgestürzter Felsbrocken, der sie zerschmettert haben könnte.
Dann hob sich weiter unten ein dunkelhaariger Kopf vom Boden, ein Arm winkte hektisch. Conan dankte den Göttern und lief hinab.
Er erreichte die Prinzessin nur wenige Schritte vor Rainha. Beide hatten das Schwert kampfbereit in der Rechten, als ein Fangarm aus dem Nebel auftauchte. Das Ungeheuer brüllte fast so laut wie zuvor. Dann brüllte es noch lauter, als Conan und Rainha auf den Fangarm einschlugen. Das Scheusal war aus Fleisch und Blut. Es spürte Schmerzen.
In den folgenden Augenblicken bereiteten Conan und Rainha dem Ungeheuer große Schmerzen. So hart hatte Conan noch nie im Leben die Klinge geschwungen. Bei jedem Hieb schmerzte sein Arm bis zur Schulter.
Der Fangarm wand sich im Rhythmus des Brüllens. Grünlicher Schleim quoll aus den Wunden, gelber Schaum tropfte aus den stinkenden Mäulern und lief über den Arm des Cimmeriers. Dann trennte sich der letzte Fleischfetzen unter einem Schlag Rainhas vom Körper, der zurück in den Nebel sank. Schaum wallte empor, und das Ungeheuer brüllte.
Die Prinzessin hielt verzweifelt ein Bündel über dem Abgrund. Es war Prinz Urras, der nicht mehr schlief, da Marrs Zauber verstummt war.
»Haltet ihn fest!«, rief Conan. »Ich ziehe euch beide herauf.«
»Rainha! Nimm das Kind!«, befahl die Prinzessin. Rainha gehorchte. Ehe Conan Chiennas Hände erreichte, kniete Rainha nieder, packte das Bündel und lief den Hang hinauf.
Conan kniete am Abgrund und zog die Prinzessin zurück. Sie war keine zarte höfische Pflanze. Er musste kräftig ziehen.
Chiennas Kleidung zerriss. Conan hatte Tavernentänzerinnen gesehen, die am Ende des Tanzes weniger am Leibe hatten als jetzt die Prinzessin.
Chienna packte mit beiden Händen die Schultern des Cimmeriers und legte den Kopf an seine Brust. So standen sie da, als Rainhas Stimme ertönte.
»Es kommt zurück!«
Conan betrachtete den Fangarm, der nach ihnen griff, dann sein Schwert, dann schob er die Prinzessin kraftvoll den Hang hinauf. Schnell kletterte sie hinauf zu Wylla, die den Säugling hielt. Rainha sprang herab, um an Conans Seite zu kämpfen.
Die Erde hob sich, und Conan und Rainha flogen durch die Luft wie Kinder, die man in einer Decke hochwirft. Sie landeten unsanft, rollten jedoch nicht weiter. Der Fangarm wand sich im Nebel und streckte die Spitze nach ihnen aus. Fluchend sprang Conan auf und rief jeden Gott an, der ihm einfiel, der ihm beistehen konnte, als Krieger zu sterben.
Die Regenbogenfarben des Nebels und das Feuer auf dem Seegrund erstarben. Ein grauenvoller Schrei hallte durch die
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