Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
Nacht. Der Nebel stieg höher als zuvor, war aber nicht so dicht. Durch den unteren Rand der Nebelwand sah Conan, wie der Damm brach.
Die Wassermassen donnerten als weiße Wand ins Tal, sie bewegten sich schneller als ein galoppierendes Ross. Conan wusste, dass er den Tod der Pougoi vor Augen hatte.
Er sah auch das Ungeheuer, allerdings wegen des Nebels nur schemenhaft. Es war ein riesiges Monster mit Rückenschild und etlichen Fangarmen. Von den Wassermassen wurde es mitgerissen und trieb ins Tal.
Danach sah Conan das Ungeheuer nicht wieder – aber er kannte den Zeitpunkt seines Todes, denn plötzlich erbebte die Erde erneut. Der Schrei gellte in seinen Ohren, und es stank, als hätten sich sämtliche Gräber der Welt geöffnet.
Der Cimmerier wusste nicht, wie lange er in den Nebel gestarrt hatte, der das dem Tod geweihte Tal verhüllte. Rainha legte ihm die Hand auf den Arm und brachte ihn zurück in die Welt.
»Conan, der Fels bröckelt in Armeslänge vor deinen Füßen. Bricht alles zusammen, stürzt auch du in die Tiefe.«
Conan sah, dass Rainha Recht hatte. Er kletterte weiter in die Höhe.
»Vor Verfolgern brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen«, sagte er. »Ich wünschte nur, die Sternen-Brüder wären mit ihren Stammesgenossen ertrunken.«
»Bete, dass dem so ist«, sagte Rainha. »Ich bezweifle, dass Marr ein streunendes Hündchen verzaubern könnte. Und von Syzambrys Männern haben wir auch noch nichts gehört.«
Der Pfeifer war wieder bei klarem Verstand und saß aufrecht auf dem Boden, als Conan und Rainha die Gefährten erreichten. Er hielt Wylla an der Brust, die schluchzend die Toten beklagte.
Aybas legte der Prinzessin seinen Umhang um die Schultern, um ihre Blöße zu bedecken. Sie ließ ihr Söhnlein an einem Finger saugen.
»Wir müssen eine Milchziege oder ein Schaf einfangen und einen Lappen in die Milch tauchen«, sagte die Prinzessin. »Urras ist es sehr gut bekommen, Milchbruder der Pougoi zu sein. Auf dem Heimweg dürfte es ihm schlechter ergehen.«
»Milchziege?«, wiederholte Conan und spürte, dass er immer noch etwas benommen war.
»Conan«, sagte die Prinzessin. »Ich hätte kaum verlangen können, dass du eine Amme mitnimmst. Aber überall hier in den Bergen laufen Ziegen umher. Alle, die wir nicht für die Milch brauchen, bessern unseren Proviant auf, richtig?«
»Gewiss, Mylady – verzeiht, Königliche Hoheit.«
»Eine Entschuldigung ist unnötig, Conan. Nie hätte ich gewagt, dich und deine Gefährten durch einen Eid an mich zu binden für das, was ihr freiwillig für mich getan habt.« Sie blickte zum Himmel empor, wo jetzt die Sterne hervortraten und ein aufkommender Wind Wolken und Nebel fortblies.
»Ich fürchte, die Nacht ist bereits halb vorüber«, fügte sie hinzu. »Wir sollten die restlichen Stunden dazu benutzen, möglichst viel Abstand zwischen uns und die Pougoi zu bringen, die vielleicht noch leben.«
Conan hoffte, die Prinzessin möge den Schwertkampf denen überlassen, die sich besser darauf verstanden. Ansonsten hatte er gegen ihren Wunsch, auf dem Heimweg das Kommando führen zu wollen, nichts einzuwenden.
Er blickte ins Tal hinab. Der Nebel stieg immer noch in kleinen Wölkchen auf, doch darunter glänzte eine große Wasserfläche. Vereinzelt ragten Hüttendächer und höher gelegenes Gelände aus dem Wasser auf. In der Ferne liefen kleine Gestalten umher.
Vom Ungeheuer, den Sternen-Brüdern oder Thyrin war nirgends etwas zu entdecken.
Conan streckte die verkrampften Muskeln und schaute Rainha an.
»Rainha, wer von uns ist deiner Meinung nach der bessere Ziegenhirte?«
K APITEL 16
Die fahle Morgendämmerung sah Conan und seine Gefährten bereits auf dem Heimweg.
»Den Palast gibt es nicht mehr, Hoheit«, berichtete Conan. »Euer Vater behilft sich mit einem Zelt in der Wildnis. Ich fürchte, wir können Euch nur eine traurige Heimkehr bieten.«
»Hauptmann Conan, man könnte meinen, du hast ebenso viel Zeit an Höfen verbracht wie Aybas«, erwiderte Chienna. Seit ihrer Befreiung von den Pougoi stahl sich immer wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht.
»Ich sage Prinzen und Königen nur die Wahrheit«, sagte Conan. »Oder zumindest denen, die sie hören wollen. Manche wollen das nicht, und mit denen spreche ich überhaupt nicht, wenn ich es vermeiden kann.«
»Unser Heim hat stets ein offenes Ohr für die Wahrheit gehabt«, sagte Chienna. »Und wir bezeichnen das gesamte Grenzreich als unser Heim. Wir werden nicht
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