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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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oder Apthorps Bank fließen. Eine schmale Tür in der Rückwand ging auf eine Treppe, die eine sofortige scharfe Wendung vollführte und dann schräg nach oben mitten durch das Kontor schoss, womit sie dessen Rauminhalt um ein Viertel reduzierte; auf dieser Treppe waren zwei Wochen zuvor die Kassetten gestapelt gewesen, welche die erste Rate des Silbers enthielten. Doch nun waren da keine Kassetten. Vielmehr wurde der untere Teil der Treppe von dem alten Bankier in Anspruch genommen, der sie als eine Art Podest benutzte, von dem aus er den gesamten Inhalt der Londoner Niederlassung des Hauses von Hacklheber mit finsteren Blicken bedenken konnte. Der alte Bankier war stämmig, seine Körpermasse nahm die ganze Breite der Treppe ein, und wie er da so knapp hinter dem schmalen Türstock stand, sah es aus, als hätte man ihn in einen Sarg gezwängt und gestopft und diesen dann bei offenem Deckel senkrecht gestellt. Seine Hängebacken waren prall wie Mehlsäcke und bildeten tiefe senkrechte Falten zu beiden Seiten seiner Oberlippe, die so hoch, weiß und steil war wie die Klippen von Dover.
    Selbst wenn Eliza den Londoner Kommissionär und seine beiden Gehilfen noch nicht gekannt hätte, hätte sie sie aufgrund ihrer Körperhaltung unter den Anwesenden erkennen können. Denn sie standen, den Rücken dem alten Bankier zugekehrt, leicht vornübergebeugt, wie in einem Achselzucken erstarrt, als bohrten ihnen seine blauen Augen langsam Löcher ins Rückgrat.
    Die Anwälte waren zu fünft. Nach ihrem Alter, der Qualität ihrer Perücken und ihrer Körperhaltung zu urteilen handelte es sich vermutlich um zwei ausgewachsene Barrister und drei Gehilfen. Die Barrister standen Schulter an Schulter, die Gehilfen waren wie Kalfatwerg in Zwischenräume unter der Treppe und zwischen den bancas gezwängt, welche zum größten Teil nicht wie Menschen geformt waren. Zum Glück für Eliza hatte sich ihre Morgenübelkeit gelegt, denn der Geruch nach Kaffee, Schnupftabak, faulenden Zähnen, ungewaschenen Männern und Cologne, um das alles zu überdecken,
hätte sie sonst sofort wieder auf die’Change Alley hinausgetrieben, wo sie einen ebenso schlimmen Anfall erlitten hätte wie Isaac Newton. Wie die Dinge lagen, fehlte es ihr nicht an Anreizen, das Gespräch kurz und knapp zu halten.
    »Bei so vielen anwesenden Herren ist kein Platz für Silber«, bemerkte sie. »Darf ich annehmen, dass es alles zur Münze geschafft worden ist, um geprägt zu werden?«
    »My Lady«, begann der Londoner Kommissionär. Er las buchstäblich von einem vorbereiteten Manuskript ab. »Die zwei Wochen, seit Ihr diesem Hause die Wechsel vorgelegt habt, waren ereignisreich. Erlaubt mir, Euch einen kurzen Bericht zu geben. Ihr seid an einem Tag gekommen, an dem man jeden Augenblick mit der Nachricht von einer französischen Invasion rechnete. Der Preis für Silber war hoch; verfügbar war es praktisch nicht. Ihr habt fünf Wechsel vorgelegt. Einer war sofort zahlbar, und wir haben ihn bezahlt. Die anderen vier waren am zehnten Juni nach dem englischen Kalender zahlbar, das heißt heute. Da in London kein Silber zu bekommen war, haben wir eiligst eine Botschaft an unsere Amsterdamer Faktorei geschickt. Weniger als zwölf Stunden nach ihrem Eintreffen in jener Stadt war auf dem Ijsselmeer ein Schiff unterwegs, das genügend Silber geladen hatte, um die vier ausstehenden Wechsel zu bezahlen. Unter normalen Umständen hätte es London so zeitig erreicht und am Tower Dock festgemacht, dass mehr als genügend Zeit geblieben wäre, vor Ablauf besagter Wechsel besagtes Silber zu englischen Münzen prägen zu lassen. Beim Durchfahren des Kanals jedoch wurde es von Kriegsschiffen aufgebracht, die unter der Flagge der französischen Marine fuhren. Das Silber und das Schiff wurden nach Dünkirchen gebracht, wo sie sich bis zur Stunde befinden. Weil dieser Akt der Piraterie von Schiffen unter dem Lilienbanner verübt wurde, wird er von unseren holländischen Versicherern als Kriegshandlung qualifiziert, die ausdrücklich nicht von unserer Police gedeckt ist; infolgedessen ist die Ladung ein Totalverlust.«
    »Habt Ihr versucht, auf dem hiesigen Markt Silber zu kaufen?«, fragte Eliza. »Es muss doch eine regelrechte Schwemme geben, nun da jeder weiß, dass die französische Invasion fehlgeschlagen ist. Ich habe zum Beispiel gehört, der Marquis von Ravenscar habe seine Bestände vor zwei Wochen abgestoßen.«
    »Die Nachricht von dem Piratenakt erreichte meinen Mandanten erst

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