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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Ihr glauben oder nicht; unstreitig aber ist, dass der Vizekönig im Besitz von Gold war, das schwerer ist als gewöhnliches.«
    »Und dessen seid Ihr Euch sicher, weil...«
    »Lothar von Hacklheber drei Prüfer über den Ozean nach Neuspanien geschickt hat, um es über jeden Schatten eines Zweifels hinaus zu verifizieren.«
    »Hmm. Kein Wunder, dass er so verärgert war, als Jack es ihm vor der Nase wegschnappte!«
    »Darf ich fragen, my Lady, ob Ihr kürzlich von diesem Jack Shaftoe gehört habt?«
    »Er hat mir vor anderthalb Jahren ein Geschenk in einer Kiste geschickt, aber es ist auf der Überfahrt ziemlich verdorben und wurde vergraben. Mr. Newton, Ihr dürft versichert sein, dass ich und bestimmte Bekannte von mir in Frankreich alle Anstrengungen unternehmen, um Jacks Aufenthaltsort festzustellen. Aber das ist nahezu unmöglich, da er überall in Arabien umherzuflitzen und Handel zu treiben scheint. Wenn ich irgendetwas Konkretes erfahre, werde ich...«
    Doch hier verstummte Eliza, denn sie war unterbrochen worden. Nicht durch irgendeine Äußerung, denn sowohl Fatio als auch Newton schwiegen, sondern durch den Ausdruck, den ihre Gesichter angenommen hatten, und durch die wilden Blicke, die zwischen ihnen hin und her gingen. Besonders Newton schien zu betroffen, um reden zu können.
    Fatio, dem schließlich bewusst wurde, dass es im Raum schon eine ganze Weile still war, erklärte: »Es wäre ein schweres Unglück, wenn diese Piraten, weil sie nicht wissen, was sie da in Händen halten, das salomonische Gold zu Münzen schlügen und ausgäben. Denn dann würde es über die ganze Welt verbreitet, eingeschmolzen, mit gewöhnlichem
Gold vermengt und vermischt und in alle vier Winde verstreut.« Fatio wandte seinen eifrigen Blick wieder Newton zu. Seine Kinnlade klappte herunter, er warf sich aus dem Sessel und ließ sich neben dem Gelehrten auf ein Knie nieder. Newton hatte eine zitternde Hand gehoben und sie vor die Augen geschlagen. Er rutschte ohne Unterlass auf seinem Stuhl hin und her, wand sich beinahe. Schweißperlen waren auf seine Stirn getreten, und eine Ader in seiner Schläfe pochte drei Mal so schnell wie Elizas Puls. Kurzum, er schien jede Unze seiner Willenskraft aufzubieten, um den wilden Drang seines Körpers zu bezähmen, in Raserei auszubrechen. Vorderhand obsiegte sein Wille, wenn auch knapp, und er konnte sich nichts anderem widmen.
    Eliza hätte vermutet, dass Newton einen Schlaganfall erlitt; doch die Art, wie Fatio neben ihm hockte und ihm die Hand streichelte, ließ vermuten, dass dies nicht das erste Mal passiert war.
    Eliza stand auf. »Soll ich einen Arzt kommen lassen?« » Ich bin sein Arzt«, lautete Fatios Antwort. Eine merkwürdige Äußerung für einen Mathematiker. Aber vielleicht hatte er ja medizinische Bücher gelesen.
    Den Patienten und seinen Arzt zu verpflichten, aufzustehen und sich höflich von ihr zu verabschieden, erschien ihr nicht das Klügste. Eliza vollführte einen Knicks und ging aus dem Zimmer.
     
    Eine halbe Stunde später befand sie sich im House of the Golden Mercury. Das Kontor war voller englischer Rechtsanwälte – und nicht voller gestapelter Kassetten mit drei Tonnen Silber, wie sie mit Fug und Recht erwarten durfte. Tatsächlich überstieg die Anzahl der Anwälte die ihrer Mandaten: vier (vermutlich) deutsche Bankiers. Von diesen hatte sie drei bereits kennen gelernt, als sie mit dem Marquis von Ravenscar vorbeigeschaut hatte, um die Wechsel vorzulegen. Der vierte war ihr unbekannt und älter. Eliza nahm an, dass er von Amsterdam gekommen war.
    »Ist das ein Handelshaus oder eine Kunstgalerie?«, erkundigte sich Eliza, und sei es nur, um das Schweigen zu brechen, das ihre einzige Begrüßung gewesen war. »Denn ich rechnete damit, Silber-Pennys zu sehen, die bis an die Decke gestapelt sind. Stattdessen sehe ich mich einem Stillleben gegenüber, wie es seit der Blütezeit der holländischen Meister keines mehr gab.«
    Keiner fand das sonderlich amüsant. Dabei sah es tatsächlich wie
ein Gruppenporträt aus. Das Kontor war kaum groß genug, um als Muffin-Bude zu dienen. Es enthielt zwei wuchtige Schreibtische oder bancas und diverse Regale, auf denen Hauptbücher und zusammengerollte Dokumente untergebracht waren. Eine Kassette auf dem Boden diente als kleine Bargeldreserve; doch dies war nicht die Art von Geschäft, die gewöhnlich mit großen Mengen von Hartgeld zu tun hatte. Hartgeld würde normalerweise über einen der größeren Goldschmiedeläden

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