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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Lady – die englischen wie die französischen -, und auch, wie Ihr dazu gekommen seid.«
    »Und deshalb bin ich hier, um eine Lösung anzubieten.«
    »Und was schlagt Ihr vor, my Lady?«
    »Der Zweck, dem dieses Silber zugedacht war, existiert nicht mehr. Doch die Wechsel sind vorgelegt und akzeptiert worden und müssen vor Tagesablauf in London bezahlt werden, wenn der gute Ruf des Hauses von Hacklheber erhalten bleiben soll. Ich schlage vor, dass wir die Transaktion in eine andere Zahlungsform umwandeln. Frankreich
braucht das Silber nicht mehr, aber es braucht ständig Bauholz – und das umso dringender, nun da ein Großteil seiner Flotte in den Häfen von Cherbourg und La Hougue verbrannt ist. Frankreich kauft Bauholz über die Compagnie du Nord, die mit einem Netzwerk hugenottischer Kaufleute im Norden in Geschäftsbeziehungen steht. Ebendiese Häuser unterhalten keine Steinwurfweite von hier Niederlassungen. Tatsächlich habe ich auf dem Weg hierher zufällig Monsieur Durand getroffen, den hiesigen Kommissionär eines solchen Unternehmens. Ich habe ihn mitgebracht.« Eliza winkte zum Fenster hin. Sogleich ging die Tür auf, und der letzte noch freie Raum im Hause von Hacklheber wurde von einem perückenlosen, weißhaarigen Herrn mit großer Nase eingenommen. »Ich darf Euch Monsieur Durand von Durand et fils in London, Stockholm, Rostock und Riga vorstellen«, verkündete Eliza. »Ich habe ihm erzählt, was geschehen ist – obwohl er wie der größte Teil der’Change Alley das meiste schon gehört hatte. Monsieur Durand hat mir in seinem beredtsten Französisch mitgeteilt, dass er infolge seiner vielen Verbindungen und ausgedehnten Erfahrungen im Norden einen Respekt für das Haus von Hacklheber entwickelt hat, der durch einen einzigen unschönen Piratenakt nicht zu erschüttern ist. Er wäre daher bereit, die Lieferung von Bauholz an die Compagnie du Nord in die Wege zu leiten, vorausgesetzt, die vier ausstehenden Wechsel werden heute noch auf ihn übertragen. Er wird, mit anderen Worten, anstelle der tatsächlichen Lieferung von ungemünztem Silber den Kredit Eures Hauses akzeptieren. Das Haus von Hacklheber wird bei Tagesende alle seine Verpflichtungen erfüllt haben, und niemandes guter Ruf wird Schaden nehmen; Lothar von Hacklheber wird morgen genauso Ditta di Borsa sein wie gestern, und dieser vorübergehende Verfall seiner Reputation, der zur plötzlichen Indienstnahme so vieler Angehöriger des Juristenstandes geführt hat, wird – wenn man sich seiner überhaupt erinnert – als eine jener kurzen, irrationalen Paniken im Gedächtnis bleiben, zu denen Märkte allerorten neigen.«
    Dies alles musste nun dem beleibten Deutschen im Hintergrund erklärt werden. Aufgrund seines Alters, seines Auftretens und der Ehrerbietung, welche die anderen ihm bezeigten, vermutete Eliza, dass er Lothar von Hacklheber persönlich veranwortlich war. Er sprach eindeutig nur wenig Englisch, was ihm bis jetzt eher zustatten gekommen als hinderlich gewesen sein mochte, da er die Stimmung im Raum abgeschätzt und den Willensstreit und die Machtbalance unter den Beteiligten
beobachtet hatte. Er hatte Eliza den Raum betreten sehen, in dem eine Stimmung wie in einer Vorschanze während einer Belagerung herrschte. Doch sie hatte die belagerten Verteidiger dadurch verblüfft, dass sie, obwohl sie gekonnt hätte, ihren Vorteil nicht ausgenutzt, sondern einen Ausweg angeboten hatte. Verblüffung hatte sich in Erleichterung verwandelt, als Monsieur Durand seinen Auftritt gehabt hatte. Dies alles nahm der alte Bankier wahr, ohne irgendwelche Einzelheiten zu kennen; und je hoffnungsvoller seine Untergebenen zu werden sich erlaubten, desto misstrauischer wurde er. Nun musste man ihm den Vorschlag auf Deutsch schmackhaft machen.
    »Soll das etwa heißen«, sagte der Londoner Kommissionär, der für ihn übersetzte, »dass La France - zusätzlich zu den hunderttausend livres in Silber, die wir Euch bereits geliefert haben – Silber im Werte von vierhunderttausend livres als Beute in Dünkirchen sowie baltisches Bauholz im Wert von vierhunderttausend livres bekommen soll, und zwar im Austausch gegen nichts weiter als fünfhunderttausend livres in französischen Staatsobligationen in Lyon?«
    »Ich empfehle Euch, Euren Ton zu mäßigen«, sagte Eliza. »Stimmen tragen bis auf die Straße hinaus; und dort in der’Change Alley lauern alle möglichen City-Leute, die sämtliche Gerüchte über die Insolvenz der Hacklhebers gehört haben.

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