Congo
durch den man zu den Gelassen gelangt, war sicher eine Wachstube. Hier hielten Wächter die Menschen von den Priestern fern. Es war sicherlich eine richtige Religion.« Diese Theorie überzeugten allerdings weder Elliot noch Munro. »Auch Religionen«, sagte Munro, »haben einen Zweck. Sie sollen den Menschen Vorteile bringen.«
»Die Menschen«, erwiderte Karen Ross, »verehren, was sie fürchten, da sie die gefürchteten Mächte auf diese Weise zu beeinflussen hoffen.«
»Und wie stellen Sie sich das bei den Gorillas hier vor?« fragte Munro. »Wie hätten sie die beeinflussen können?« Als sie schließlich die Antwort fanden, waren sie um so verblüffter, als sie sich ihnen sozusagen in umgekehrter Reihenfolge erschloß.
Sie gelangten von den Gelassen zu einer Vielzahl langer Gänge, die mit Bas-Reliefs geschmückt waren. Mit Hilfe ihres Infrarotabtast-und Computer-Systems konnten Sie die Reliefs »lesen«. Es waren sorgfältig wie in einem Bilderbuch aneinandergereihte Szenen.
Die erste Szene zeigte eine Reihe von Gorillas in Käfigen, in deren Nähe ein Schwarzer mit einem Stock in der Hand stand. Das zweite Bild zeigte einen Schwarzen, der zwei Gorillas an Halsstricken hielt.
Das dritte zeigte einen Schwarzen, der Gorillas auf einem Hof etwas lehrte. Sie waren an senkrechten Pfosten mit jeweils einem Ring an der Spitze angepflockt.
Das letzte Bild schließlich zeigte, wie die Gorillas aus Pflanzenfasern zusammengebundene Puppen von Menschengröße, die von einer steinernen Konstruktion über ihnen herabhingen, angriffen.
Jetzt wußten sie, was es mit dem »Stadion« und mit dem »Gefängnis« auf sich hatte.
»Großer Gott«, sagte Elliot. »Sie haben die Gorillas abgerichtet.« Munro nickte. »Als Bewacher der Diamantminen. Eine Elitetruppe gut gedrillter Kampftiere, rücksichtslos und unbestechlich. Keine schlechte Idee.«
Jetzt, wo sie wußte, daß es sich nicht um einen Tempel, sondern um eine Ausbildungsstätte handelte, widmete sich Karen Ross erneut dem Gebäude. Ein Einwand fiel ihr ein: die Darstellungen waren Jahrhunderte alt, die Ausbilder der Tiere längst gestorben. Die Gorillas aber waren noch da. »Wer richtet sie denn jetzt ab?«
»Sie selbst«, sagte Elliot. »Sie bringen es sich gegenseitig bei.«
»Ist das überhaupt möglich?«
»Aber sicher, Herrentiere geben durchaus innerhalb der Art bestimmte Fertigkeiten weiter.«
Eben dieser Punkt war unter Forschern lange umstritten gewesen. Washoe aber, der erste Menschenaffe, der Zeichensprache lernte, gab sie sogleich an ihre Nachkommenschaft weiter.
Sprachfähige Primaten unterwiesen in der Gefangenschaft auch andere Tiere — übrigens auch Menschen: sie machten so lange und immer wieder Zeichen, bis der dumme, ungebildete Mensch endlich begriff, was man von ihm wollte.
Auf diese Weise konnten Primaten also ohne weiteres dafür sorgen, daß eine sprachliche und auf das Verhalten bezogene Überlieferung generationenlang nicht unterging. »Sie meinen also«, sagte Karen Ross, »daß seit Jahrhunderten keine Menschen mehr in dieser Stadt leben, die von ihnen abgerichteten Gorillas aber nach wie vor hier sind?«
»So sieht es aus«, sagte Elliot.
»Und sie verwenden steinerne Werkzeuge?« fragte sie. »Steinplatten mit Griffen?«
»Ja, sagte Elliot. Die Vorstellung des Werkzeuggebrauchs war nicht so weit hergeholt, wie es zuerst den Anschein haben mochte. Schimpansen konnten mit ziemlich ausgeklügelten Werkzeugen umgehen. Das deutlichste Beispiel dafür war das »Termitenfischen«. Sie richteten sich einen Zweig her, bogen ihn geduldig so lange, bis er für ihre Zwecke geeignet erschien und verbrachten dann über einem Termitenhügel viele Stunden damit, sich mit Hilfe des Stocks saftige Larven zu »angeln«.
Menschliche Beobachter hatten diese Übung so lange als »primitiven Werkzeuggebrauch« eingestuft, bis sie es selbst versuchten. Es zeigte sich, daß die Herrichtung eines geeigneten Zweigs und der Fang von Termitenlarven alles andere als primitiv war, jedenfalls konnten die Menschen es nicht richtig nachahmen. Sie gaben auf, mit neuem Respekt für die Leistung der Schimpansen und um eine interessante Beobachtung reicher — sie hatten gesehen, daß Jungtiere den erwachsenen Schimpansen tagelang zusahen, wie sie Stöcke herrichteten und in dem Termitenhaufen herumstocherten. Junge Schimpansen lernten buchstäblich, wie man es machte, und dieser Lernprozeß erstreckte sich über Jahre. Das sah verdächtig nach einer Kultur
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