Constantine
bitte mit.« Dann deutete er auf Con. »Sie lassen das Stück nicht aus den Augen. Und wenn jemand es zu stehlen versucht, können Sie ihn von mir aus gleich umlegen.«
4
Macht. Solange Bettencourt hätte schwören können, dass sie jedes Mal die Macht des Zepters spürte, wenn sie es in die Hand nahm oder über seinen Griff, einen pflaumengroßen Diamanten, strich. Vielleicht war es tatsächlich Zauberei. Vielleicht bildete sie es sich nur ein. Vielleicht kam es daher, dass das Zepter für einen König oder eine Königin gedacht war, die anderen damit ihren Willen aufzwangen.
Vielleicht war es auch gar nicht Macht, was Solange spürte, während sie inmitten eines dreihundert Jahre alten Steinhaufens saß, der das Zepter barg. Vielleicht war es einfach nur die Ironie der ganzen Geschichte.
Ironie brachte sie zum Lachen, und Lachen war etwas, wozu sie nicht mehr fähig gewesen war, bis sie das Zepter gefunden hatte. Ironie war etwas Wunderbares.
Welch wunderbare Ironie lag doch darin, dass Jaeger Bettencourt IV . ihr alle möglichen unglaublichen Dinge vorgeworfen hatte, um sie anschließend auf einen Steinhaufen mitten im Ozean zu verbannen… dass sie sich dort hundert Stufen hinaufgeschleppt hatte, um ihr elendes Leben mit einem Sturz in die Tiefe zu beenden, und schließlich überlebt hatte, weil sie ausgerechnet auf dem Ding landete, das Jaeger mehr begehrte als alles andere auf der Welt.
In jenem Moment hatte sich das Blatt zu ihren Gunsten gewendet.
Sie hatte den größten Schatz, der je verloren gegangen war, gefunden. Zumindest die Hälfte davon. Wenn alles nach Plan ging, würde sie ihm auch bei der anderen Hälfte zuvorkommen.
Bei dem Gedanken lief ihr ein Schauder über die Arme.
Endlich war ihr das Glück auch einmal hold und nicht immer nur diesem Teufel, der sie zu einer Aussätzigen gemacht hatte. Oder diesen widerlichen Lügnern, die sich selbst ihre Freunde nannten, während sie sich gleichzeitig bei Benefizveranstaltungen und Bällen das Maul über sie zerrissen.
Solange ist verrückt.
Solange ist selbstmordgefährdet.
Die verrückte Solange gönnt sich in einem der Bettencourt’schen Feriendomizilen auf den Azoren eine Auszeit
.
Als ob diese dreihundert Jahre alte klapprige Windmühle ein Feriendomizil wäre. Er hatte sie abgeschoben, ließ sie Medikamente nehmen, die sie nicht wollte, und von einer einfältigen Krankenschwester beaufsichtigen. Ihr Leben hatte er ihr gestohlen.
Und ihr dabei ganz und gar unbeabsichtigt den Schatz in die Hände gespielt, den er selbst so sehr begehrte. Sie lachte laut auf. Es ging doch nichts über die Ironie des Schicksals.
Der Klang ihres Lachens hallte von den runden Steinmauern wider, beinahe ebenso laut wie das endlose Ächzen des Mühlenrades und der Zahnräder und das endlose Rauschen des Windes.
Es hatte alles nach einer Verbannung ohne Ende ausgesehen … bis sie das Zepter fand.
Sie versuchte, es hochzunehmen, wie eine Königin es vielleicht getan hätte, doch ihre schlanken Arme waren nicht stark genug. Mit beiden Händen legte sie es auf das weiße Samtkissen zurück, das sie eigens dafür angefertigt hatte, und wandte sich den Pergamenten zu, die über den grob behauenen Holztisch verstreut lagen. Die Worte, die darauf zu lesen waren, hatten sich in Solanges Gedächtnis gebrannt, obwohl es nicht leicht gewesen war, die verschnörkelte, hundertfünfzig Jahre alte Schrift zu entziffern, und das auch noch in einer fremden Sprache.
Sie war sogar eigens in die erbärmliche kleine Bücherei der Insel gegangen, hatte ein portugiesisch-englisches Wörterbuch ausgeliehen und den gesamten Text übersetzt und anschließend auswendig gelernt.
An einer der kühlen Mauern, die sie umgaben, rieb sie ihre Arme, stand dann auf und ging zur Tür, der einzigen Öffnung, die dieses Mühlenhaus besaß. So weit sie blicken konnte, nur Schwärze, undurchdringliches Gewässer.
Hatte es damals auch so ausgesehen, als sich Aramis Dare mitten in der Nacht davongestohlen hatte? Mitsamt der Hälfte der Kostbarkeiten, für die dieser Pirat schon sein Geld erhalten hatte? Die den Bettencourts und damit jetzt ihr zustanden?
Sie kehrte zum Tisch zurück, wo ihr Satellitentelefon lag. Stumm.
Ruf endlich an, verdammt. Sag mir, was ich wissen –
Beim leisen Summen des Apparates jauchzte sie beinahe vor Freude auf.
Oh ja … sie hatte
Macht
. Und, bei Gott, die würde sie einsetzen, um ihrem Mann Qualen zu bereiten. So wie er ihr all die Jahre Qualen bereitet
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