Constantine
hatte.
Sie nahm das Telefon und meldete sich mit energischer Stimme, ruhig und bestimmt. Auf keinen Fall durfte sie wie eine Verrückte klingen. Dieser Mann war der Einzige, der die Wahrheit über sie wusste. Dass sie nicht geisteskrank war, sondern insgeheim einen Plan verfolgte.
»Ich denke, wir haben etwas.«
Bei den Worten zog sich ihr Magen zusammen. »Haben Sie es gef –«
»Nein«, unterbrach er sie. »Aber wir haben einen Hinweis darauf, dass wir an der richtigen Stelle suchen. Wir sind ganz nah dran. Die Karte, die Sie haben, ist korrekt.«
Natürlich war sie das. Solange hatte sie vor langer Zeit aus Jaegers Unterlagen kopiert – sobald sie den Verdacht geschöpft hatte, dass er irgendetwas im Schilde führte, um sie loszuwerden. »Was haben Sie gefunden?«
»In den Skizzen ist ein großer Edelsteinanhänger abgebildet. Wissen Sie, welchen ich meine?«
»Ich bezahle Sie nicht dafür, dass Sie mir eine Halskette bringen«, sagte sie durch zusammengebissene Zähne.
»Ich weiß, Mrs Bettencourt, aber das ist ein wichtiger Fund. Er verrät uns, dass wir an der richtigen Stelle suchen. Oder dass wir zumindest das richtige Wrack gefunden haben. Sie müssen mir ein paar Details bestätigen.«
»Die Dokumente sind hier. Ich hatte sie mir gerade angesehen.«
»Sie sollten sie nicht berühren. Sie könnten sich unter Ihren Händen auflösen. Seien Sie extrem vorsichtig. Es darf auf keinen Fall Öl drankommen. Belassen Sie sie am besten in dem Steinloch, wo Sie sie gefunden haben.«
Solange schloss die Augen und gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben. Die Pergamente hatten anderthalb Jahrhunderte unter einer Steintreppe in der Windmühle überdauert. Ein paar Stunden in ihren Händen würden ihnen auch nichts anhaben können. Doch jetzt ausfällig zu werden war zu riskant; dazu war sie viel zu sehr auf diesen Mann angewiesen.
»Beschreiben Sie den Anhänger«, sagte sie und rollte vorsichtig die Pergamente mit den Zeichnungen aus.
»Suchen Sie nach einem Oval, das mit Diamanten gerahmt ist; auf der einen Seite ist ein Kruzifix, auf der anderen die Muttergottes.«
Die Muttergottes. Ihr Herz machte einen kleinen Satz, als ihr Blick auf das entsprechende Bild fiel. Das war es.
»Maria-Dolorosa-Amulett«, las sie aus dem jahrhundertealten Skript. »Sieben Edelsteine. Ziemlich filigran, ziemlich verschnörkelt. Ist es das?«
»Könnte sein«, erwiderte er. »Beschreiben Sie die Formen der Edelsteine.«
»Die obersten drei sind oval, die an den Seiten sind viereckig, na ja …« Sie betrachtete die verblichene Skizze genauer. »Man könnte sie rechteckig nennen. Die zwei unten sind rund.«
»Das ist es. Wir haben es, Mrs Bettencourt.«
Wieder war sie ihrem Traum, Jaeger am Boden zu sehen, einen Schritt näher gekommen. »Was sind das für Edelsteine?«, fragte sie mehr aus Neugier. Dieses Fundstück war ihr vollkommen egal. Aber vielleicht konnte sie ihn damit ausbezahlen, falls – nein,
wenn
sie gefunden hatten, was sie in Wahrheit suchte.
»Einer fehlt, aber die übrigen Randsteine sind Diamanten und in der Mitte ist ein Rubin. Sie sind ziemlich groß und überhaupt nicht vom Sand angegriffen. Dass dieses Schiff zehn Meilen vor der Küste gesunken ist, kommt uns sehr entgegen«, sagte er. »Auf diese Weise wurde es nicht von Korallen zerstört, und das ganze Zeug liegt so tief verschüttet, dass alles noch da sein dürfte – nicht von anderen durchwühlt und in alle Richtungen verstreut. Nachdem wir das erste Stück gefunden haben, werden wir jetzt jeden Tag neue Beute hochbringen.«
Wieder durchlief sie ein Schauder. Ihr Ziel lag in greifbarer Nähe. »Dann tauchen Sie weiter, und jedes Mal, wenn Sie etwas finden, rufen Sie mich an.«
»Ich werde mein Bestes tun.«
»Und wenn Sie das Zepter finden, wissen Sie, was Sie zu tun haben.«
»Ja. Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
»Was ist mit der Crew und den anderen Tauchern?«, wollte sie wissen. »Halten sich alle an die Anordnungen?«
»Alle tun genau, was sie sollen.«
Solange blieb misstrauisch. Die Leute taten nie, was man von ihnen erwartete. War sie nicht der beste Beweis dafür? War nicht ihr Abstieg aus den erlauchtesten Kreisen der Gesellschaft tief hinunter auf eine verdammte Rinderfarm am Ende der Welt der beste Beweis dafür, dass man immer auf der Hut sein musste?
»Vergessen Sie nicht, Sie müssen Augen und Ohren für mich offenhalten«, mahnte sie ihn. »Dafür bezahle ich Ihnen einen Haufen Geld. Jemand könnte ganz scharf
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