Conte-Krimi - 13 - Hetzjagd am Grünen See
kleinen Nebenzimmer. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, wackelte ihnen Moritz entgegen. Er wedelte mit dem Schwanz so heftig, dass er Mühe hatte, nicht umzufallen. Sein Kopf war kahl geschoren, die Naht an seinem Ohr schorfig, sein Fell stumpf, struppig und grau. Seine Rippen schimmerten durch, die Bewegungen wirkten hölzern.
»Meine Güte, wie sieht mein Hund aus?«, entfuhr es Steiner.
Micky kniete sich nieder und streichelte Moritz ganz vorsichtig, damit er ihm nicht wehtat. Der Hund genoss die Berührungen. Zum Dank leckte er den Jungen überall ab, wo er mit seiner langen Zunge hingelangte.
»Er hat fast nichts gefressen«, erklärte die Tierärztin auf Steiners entsetztes Gesicht. »Das ändert sich aber, sobald er nach Hause kommt.«
»Das nennen Sie wohlauf?«
»Das fremde Umfeld, die fremden Menschen und die vielen Medikamente sind Ursachen für sein verändertes Fressverhalten.«
»Warum durfte ich den Hund nicht besuchen?«
»Es ist wichtig, dass die Bezugsperson in dieser Zeit von dem Tier fernbleibt, weil es dadurch nur zur inneren Unruhe und zu einem Verhalten von Unwilligkeit in dem Tier kommt, was jeden Heilungsprozess behindert. Auch wenn Ihr Hund abgenommen hat, er hat es gut überstanden. Die Pfunde, die er hier verloren hat, wird er zu Hause wieder zunehmen.«
»Er ist fünfzehn Jahre alt. Ich hoffe, Sie behalten recht.«
Mit diesen Worten verabschiedete sich Steiner.
Micky nahm Moritz an die Leine und führte ihn behutsam zu dem hohen Jeep. Als Steiner die Tür zum Fond öffnete, gelang es dem Hund nicht, auf den Rücksitz zu springen. Steiner musste nachhelfen. Sein Herz setzte aus bei dem Anblick, den der Hund bot, als er vor einem Hindernis stand, das plötzlich unüberwindbar für ihn geworden war. Bis zu diesem Zwischenfall hatte Steiner nicht bemerkt, wie alt Moritz war. Keine Aufgabe war zu schwer für ihn, kein Hindernis zu hoch. Und heute?
Micky lieà sich neben dem Hund nieder, um ihn auf dem Nachhauseweg zu streicheln. Die beiden schwiegen während der ganzen Fahrt. Steiners Gedanken kreisten um den Hund und um die Umstände, die ihn in diese Situation gebracht hatten.
Kaum hatte er das gusseiserne Tor zum Hoflimberg passiert, wurde er abgelenkt. Dort standen Jürgen Schnur und Esther Weis. Hoffentlich bedeutete das etwas Gutes für ihn.
»Wir haben das Blendgatter gefunden«, verkündete Esther.
Das war gut für ihn. Erleichtert atmete Steiner auf.
»Es ist im Labor zur Untersuchung«, sprach sie weiter. »Das ist der erste Beweis für Ihre Behauptungen.«
Steiner lächelte sie an. Die Loyalität, die sie ihm zeigte, tat ihm gut. Doch dieses angenehme Prickeln wurde sogleich von Schnurs Stimme unterbrochen: »Es wurde nur ein Teilabdruck gefunden, der bis jetzt nicht zugeordnet werden konnte. Von dir ist er nicht, das haben wir schon verglichen.«
Steiner brauste wütend auf: »Schau dir meinen Hund an. Glaubst du ernsthaft, ich tue ihm so etwas mutwillig an?«
Esther Weis trat um das Auto herum und stieà einen kurzen Schreckensschrei aus, als sie Moritz sah. Sie beugte sich hinein und streichelte über das struppige Fell. Moritz schaute sie mit waidwundem Blick an.
Jürgen Schnur warf einen Blick in den Fond des Wagens und fragte: »Warum hat sich van Gogh das eigene Ohr abgeschnitten?«
»Wie bitte?«, stutzte Steiner. »Der Maler war psychisch krank. Mit ihm kannst du mich nicht vergleichen.«
»Nein? Man sagte ihm eine ausgeprägte Unfähigkeit nach, mit Menschen auszukommen. Was tust du? Du flüchtest in den tiefsten Dschungel des Saarlandes, lebst hier allein wie ein Eremit, weil du dir selbst die Schuld an dem missglückten Befreiungsversuch gibst, wofür wir immer noch keine Erklärung gefunden haben«, gab Schnur barsch zurück.
Schon wieder bohrte Schnur gezielt an Steiners Nerv. Warum lieà er das Thema nicht einfach ruhen? Beharrlich widersprach er: »Ich habe es nicht nötig, ein hilfloses Tier zu quälen.«
Sanft streichelte Esther Weis über den Rücken des Hundes, seine Flanken, seine Brust. Moritz wedelte schwach mit dem Schwanz, legte sich auf die Seite und genoss die Liebkosungen.
»Was muss ich tun, damit Sie mich so verwöhnen wie meinem Hund?«
»Schneid dir ein Ohr ab!«, kam es von Schnur.
»Ich sagte schon, dass ich nicht verrückt bin. Schlag dir die
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