Conte-Krimi - 13 - Hetzjagd am Grünen See
Dinge des Lebens wiederholten. Der Anschluss, der dort vor seinen Augen gebaut wurde, verband eine Autobahn, die von Portugal bis Norwegen führte und somit die Stellung des Saarlandes von der Randposition ins Zentrum rückte.
Aber leider waren es nicht nur die erfreulichen Dinge, die sich wiederholten. Durch die Rückkehr des Entführers Bernd Schumacher â und durch seinen brutalen Tod â holte ihn seine eigene Vergangenheit ein, die er mit aller Macht hinter sich lassen wollte. Alles, was damals geschehen war, sah er heute mit einer Präzision, als hielte er eine Lupe davor. Dabei spürte er auch wieder die innere Zerrissenheit, der er entfliehen wollte, das unangenehme Gefühl, versagt zu haben, den Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, nicht gerecht geworden zu sein. Das Wort Versager, das er mühsam aus seinem Kopf verbannt hatte, war wieder da.
Die Erinnerung machte ihn schwermütig. Mit einer fahrigen Handbewegung rieb er sich über die Augen, dabei fiel sein Blick auf Micky. Der Junge schaute ihn fragend an. Seine Unbekümmertheit gab Steiner die Kraft, die beklemmenden Gedanken zu verdrängen. Und nicht nur das, Micky schaffte es, ihn aufzurichten, was keinem seiner Kollegen bisher gelungen war. Allen Beteuerungen zum Trotz, er hätte sich nichts zuschulden kommen lassen, hatte er sich nutzlos und schuldig gefühlt. Nur bei Micky spürte er, dass er durchaus in der Lage war, Verantwortung zu tragen. Väterliche Gefühle stiegen in ihm auf â eine bewegende Empfindung. Als seine Frau damals ihr gemeinsames Kind einfach mitgenommen hatte, hatte er ihre Entscheidung für richtig gehalten. Heute â beim Anblick des behinderten Jungen â erkannte er, dass er doch hätte einen guten Vater abgeben können.
»ScheiÃe, Mann! So eine RiesenscheiÃe«, dröhnte es plötzlich aus der Scheune.
Auf diese Art aus den Gedanken gerissen zu werden, ärgerte Steiner. Wütend ging er auf die Scheune zu und rief: »Was soll die Fäkalsprache? Ist euch die Arbeit zu viel?«
»Schauen Sie sich das an!«, klang es aus dem Dunkel.
Steiner folgte dem Ruf. Er betrat mit einer Taschenlampe ausgerüstet die zerfallene Ruine. Das Erste, was er sah, war die original erhaltene Seitenwand der ehemaligen Kirche mit drei steinernen Rundbögen, ein Relikt aus der Zeit des achtzehnten Jahrhunderts, als dort die Mönche des FranzisÂkanerordens an dieser Stelle ein Kloster errichtet hatten. Beeindruckend, ein altes Original, unverfälscht und unberührt. Es grenzte schon an Wunder, dass sich in all den Jahren niemand daran zu schaffen gemacht hatte. Es hatte allen Zerstörungen getrotzt.
Zum Staunen blieb ihm keine Zeit, denn der Ruf, der ihn in die Scheune gelockt hatte, kam von weiter unten. Steiner leuchtete den Boden aus. Er fand mehrere Einsturzlöcher. Sie führten zu einem unter dem Kloster liegenden Gewölbekeller. Zwischen Schutt, Dreck und Müll standen zwei Arbeiter. Vor ihnen lag etwas. Erst bei genauem Hinsehen erkannte Steiner, dass dieses Etwas eine Leiche war.
Erschrocken trat er näher, doch einer der Arbeiter hob die Hand und rief: »Nicht zu nahe, sonst bricht die Decke durch. Dort steht eine Leiter. Ãber die können Sie sicher runterkommen.«
Steiner folgte seinem Rat.
Als er direkt vor dem Toten stand, überkam ihn ein Gefühl von Ekel. Die Leiche war stark verwest. Im Gesicht des Mannes gab es keine Augen mehr, der Mund war zu einem groÃen, offenen Loch zerfressen, sein schwarzer Anzug voller Löcher, durch die seine Knochen hindurchschimmerten. Puppenhülsen verrieten, dass Maden ihre Eier gelegt hatten, die schon geschlüpft waren. Wie lange er wohl dort lag?
Micky näherte sich von oben. Hastig kletterte Steiner über die Leiter hoch und zog den Jungen von diesem schauerlichen Anblick weg. Das musste er wirklich nicht sehen.
Kapitel 17
Das Gut Limberg wurde mit Absperrband gesichert. Neugierige Spaziergänger drückten sich an die Schranke in der Hoffnung, etwas in Erfahrung zu bringen. Aber die Kollegen der Schutzpolizei leisteten ganze Arbeit. Kein Sterbenswörtchen drang durch.
Helmut Brack war unter den Polizeibeamten. Er stand abseits von den Kollegen, beobachtete das Schauspiel, als ginge es ihn nichts an.
Schnur sah ihn, wollte auf ihn zugehen, da verschwand er eilig im ehemaligen Kloster. Was ihn so gleichgültig gegenüber dem entstellten Anblick
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