Cook, Robin
der Wingate Clinic zu tun gehabt! Da sie sich als Spenderin zur Verfügung gestellt hatte, fühlte sie sich irgendwie mitschuldig.
»Mal angenommen, es verhält sich tatsächlich so«, fuhr Deborah nach einer Weile fort, »dann ist es zu allem Unglück wahrscheinlich auch noch ganz legal. Dass ausgerechnet in einem Zentrum für Kinderwunschbehandlungen zum Zweck der Eizellengewinnung massenweise Abtreibungen vorgenommen werden, wäre für die Klinik zwar vermutlich ein PR-Desaster, aber solange die Frauen nicht dazu gezwungen werden, dürfte man kaum etwas dagegen unternehmen können.«
»Ist es etwa kein Zwang, wenn sie dafür bezahlt werden«, ereiferte sich Joanna. »Diese Frauen sind bettelarm und kommen aus einem Dritte-Welt-Land, in dem jeder ums Überleben kämpfen muss.«
»He, reg dich doch nicht so auf«, versuchte Deborah sie zu beruhigen. »Lass uns doch in aller Ruhe über die Sache reden.«
»Ich rege mich aber auf!«, fauchte Joanna. »Und überhaupt – was war das da vorhin für eine Andeutung über meine Eizellen? Ich hasse es, wenn du mich so zappeln lässt.«
»Ach so, ja – tut mir Leid«, entschuldigte sich Deborah. »Die Sache mit den nicaraguanischen Frauen hat mich ganz davon abgebracht. Eigentlich gibt es nur eine Möglichkeit, wie sie dir derart viele Eizellen entnommen haben können: Sie müssen dir den ganzen Eierstock herausoperiert haben.«
Joanna riss den Kopf herum, als ob Deborah ihr mit aller Kraft eine Ohrfeige verpasst hätte. Sie musste den Kopf ein paar Mal hin- und herwiegen, um ihre Gedanken zu ordnen. Dann bat sie ihre Freundin mit zitternder Stimme, ihren letzten Satz noch einmal zu wiederholen, weil sie nicht ganz sicher sei, ob sie richtig verstanden habe.
Deborah ließ für einen Augenblick die Straße aus den Augen und warf Joanna einen flüchtigen Blick zu. Ihrer Stimme nach zu urteilen war sie den Tränen nahe. »Ich habe nur laut nachgedacht«, sagte sie. »Jetzt mach dich doch nicht verrückt.«
»Wenn du mir erzählst, dass sie mir den ganzen Eierstock weggenommen haben, habe ich ja wohl das Recht, mich aufzuregen«, entgegnete Joanna bestimmt und mit ruhiger Stimme. Sie schien sich voll und ganz unter Kontrolle zu haben.
»Vielleicht hast du ja eine bessere Erklärung für die vielen Eizellen«, konterte Deborah. »Lass uns das Ganze als ein Brainstorming betrachten. Da wir so gut wie nichts wissen, kommen wir vielleicht auf diese Weise weiter.«
Joanna riss sich zusammen und dachte angestrengt über eine andere Erklärung für die vielen Eizellen nach. Doch ihr fiel beim besten Willen nichts ein. Ihre Kenntnisse über die weibliche Reproduktion beschränkten sich auf das übliche Mädchengetuschel aus dem Umkleideraum und die paar Fakten, die aus dem Biologieunterricht an der Highschool hängen geblieben waren.
»Ich habe noch nie gehört, dass nach einer Stimulation der Eierstöcke mehr als maximal zwanzig Eizellen entnommen wurden«, stellte Deborah fest. »Mehrere hundert kann man eigentlich nur bekommen, wenn man auf irgendeine Weise Eierstockgewebe kultiviert.«
»Ist das denn überhaupt möglich?«, wollte Joanna wissen.
Deborah zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Schließlich bin ich Molekularbiologin; mit Zellkulturen kenne ich mich nicht besonders gut aus, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass es möglich ist.«
»Mal angenommen, sie haben mir tatsächlich einen meiner Eierstöcke entfernt«, überlegte Joanna, »wie würde sich das auswirken?«
»Mal überlegen«, erwiderte Deborah und zog die Stirn in Falten, als würde sie angestrengt nachdenken. »Mit nur einem Eierstock produzierst du nur die Hälfte der normalen Östrogenmenge. Das heißt also, dass der Wert für dein in der Nebenniere gebildetes Testosteron sich im Verhältnis zum Östrogenwert verdoppelt. Also wird dir wahrscheinlich ein Bart wachsen, der Busen entwickelt sich zurück, und du bekommst demnächst eine Glatze.«
Joanna sah ihre Freundin entsetzt an.
»Das sollte ein Scherz sein!«, erklärte Deborah. »Also bitte lachen.«
»Mir ist gerade nicht nach Lachen zumute«, gab Joanna zurück.
»Wahrscheinlich merkst du überhaupt nichts«, versuchte Deborah sie zu beruhigen. »Vielleicht sinkt die statistische Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, ein wenig, weil deine Eizellen nur noch in einem Eierstock reifen können, aber auch das muss nicht unbedingt sein.«
»Trotzdem ist es ein furchtbarer Gedanke, seines Eierstocks beraubt
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