Cook, Robin
wir nicht über Fruchtfliegen oder Schafe, sondern über das Klonen von Menschen!«
»Um die Wahrheit zu sagen – nein«, gestand Carlton und setzte sich wieder gerade hin. »Meiner Meinung nach war es sowieso nur eine Frage der Zeit. Seit der Existenz von Dolly war doch eigentlich klar, dass irgendwann auch ein Mensch geklont werden würde. Und dass es in einem Umfeld geschehen würde, wie ihr es beschrieben habt, wundert mich auch nicht: nämlich in einem privaten Fertility Center, das nicht an eine Universität angegliedert ist. Seit der Existenz von Dolly gab es etliche Reproduktionsexperten, die öffentlich darüber geredet und angekündigt haben, Menschen zu klonen. Es gibt immer Wissenschaftler, die bereit sind, Grenzen zu überschreiten.«
»Wie kannst du darüber reden, als wäre das alles nicht weiter schlimm?«, ereiferte sich Joanna.
Bevor Carlton antworten konnte, meldete sich sein Pieper. Er warf einen Blick auf die LCD-Anzeige und stand auf. »Entschuldigt mich einen Augenblick. Ich muss kurz telefonieren.«
Joanna und Deborah sahen ihm nach, wie er sich an den leeren Tischen vorbeischlängelte und auf eines der Wandtelefone zusteuerte.
»Deine Parallele über den Wald und die Bäume war wirklich treffend«, bemerkte Deborah.
Joanna nickte. »Er gibt ja selber zu, dass er total isoliert lebt. Wenn er nichts anderes zu tun hat, als sich tagein, tagaus mit Trivialitäten wie dem Waardenburg-Syndrom zu beschäftigen, ist es doch kein Wunder, dass er keine Lust hat, über das Weltgeschehen oder ethische Probleme nachzudenken. Dass in der Wingate Clinic offenbar Menschen geklont werden, nimmt er einfach so zur Kenntnis.«
»Was wir ihm über die Nicaraguanerinnen erzählt haben, hat ihn auch nicht gerade umgehauen«, fügte Deborah hinzu. »Nicht einmal deine Geschichte hat ihn erschüttert.«
Joanna nickte. Carlton hatte sich wirklich nicht übermäßig beeindruckt gezeigt. Als sie ihn im Krankenhaus aufgesucht hatten, hatte sie sich noch bemüht, ihn nicht zu verletzten, und sich entschuldigt, dass sie sich nicht gleich nach ihrer Rückkehr aus Italien bei ihm gemeldet hatte. Carlton hatte die Entschuldigung zwar angenommen, doch Joanna hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen gehabt, ihn gleich als Erstes um einen Gefallen zu bitten. Nachdem er jedoch derart ungerührt auf ihre schlimmen Befürchtungen reagiert hatte, machte sie sich keine Vorwürfe mehr.
Joanna und Deborah waren zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste war, Carlton die ganze Geschichte anzuvertrauen, angefangen mit ihrer Eizellenspende. Er hatte mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört und sie zunächst kein einziges Mal unterbrochen. Erst als sie ihm erzählt hatten, wie sie sich verkleidet und sich unter Angabe falscher Namen in der Klinik Jobs besorgt hatten, hatte er sich eingeschaltet.
»Jetzt verstehe ich allmählich!«, hatte er gestaunt und Deborah angesehen. »Hast du dir deshalb die Haare gefärbt und dich in dieses knappe, aufreizende Kleidchen gezwängt?«
»Ich hätte gar nicht gedacht, dass du mein Outfit überhaupt wahrnimmst«, hatte Deborah entgegnet und Carlton ein unterdrücktes Glucksen entlockt. Offenbar schien es ihm vollkommen undenkbar, so etwas nicht zu bemerken. Joanna hatte ihn daraufhin gefragt, was er denn von ihrer Verkleidung halte, und zu ihrem Leidwesen hatte er zurückgefragt: »Was für eine Verkleidung?«
Der einzige Teil ihrer ganzen Geschichte, der ihn wirklich in den Bann gezogen hatte, war das Rätsel um die Anzahl der Eizellen. Als sie ihm von der gigantischen Menge berichtet hatten, die angeblich sowohl Joanna als auch anderen Spenderinnen entnommen worden waren, hatte er, genauso wie Deborah, vermutet, dass man in der Wingate Clinic mit Erfolg ein Verfahren zur Kultivierung von Eierstockgewebe entwickelt hatte, mit dem es außerdem möglich war, extrem unreife Eizellen reifen zu lassen. Falls der Klinik das gelungen sei, so hatte Carlton den beiden erklärt, sei dies ein enormer Fortschritt und eine großartige wissenschaftliche Leistung.
Schließlich hatten Joanna und Deborah ihm den eigentlichen Grund ihres Kommens genannt: ihre Befürchtung, dass man Joanna einen ihrer Eierstöcke entfernt hatte, und dass sie eine Ultraschalluntersuchung machen lassen wollte. Carlton hatte versprochen, zu tun, was er konnte, und ein paar Anrufe getätigt. Seine gefühllose Reaktion hatte sie beide überrascht.
»Ich will ja nicht oberlehrerhaft klingen«, sagte Deborah, während sie Carlton
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