Cook, Robin
Gynäkologen irgendetwas erfahren?«, wandte sich Joanna an Carlton.
»Ja«, erwiderte er. »Mit nur einem Eierstock auf die Welt zu kommen, scheint extrem außergewöhnlich zu sein. Sie hat es noch nie gesehen, hat noch nie davon gehört und es noch nie irgendwo gelesen. Aber sie hält es auch nicht für völlig ausgeschlossen.«
»Sie haben dir deinen verdammten Eierstock geraubt«, bemerkte Deborah an Joanna gewandt. »Die Fakten sprechen für sich, das liegt doch auf der Hand. Eigentlich müsstest du mich händeringend zu überzeugen versuchen, umgehend noch mal zurückzufahren, und nicht umgekehrt.«
»Ich habe ganz offenbar ein bisschen mehr Verstand im Kopf als du«, entgegnete Joanna.
In diesem Moment piepte Carltons Pager. In dem menschenleeren Wartebereich war er viel lauter als unten in der überfüllten Cafeteria. Carlton griff erneut zum Telefon.
»Wir sollten uns die Chance wirklich nicht entgehen lassen«, bearbeitete Deborah ihre Freundin hartnäckig weiter.
»Okay, ich bin sofort da«, versprach Carlton und legte auf.
»Tut mir Leid, dass ich unsere kleine Runde jetzt verlassen muss, aber das war die Notaufnahme. Auf dem Storrow Drive gab es eine Massenkarambolage, und die ersten Rettungswagen sind jeden Moment da.«
Er fuhr mit den beiden Frauen nach unten. Mit Rücksicht auf die anderen Fahrstuhlbenutzer diskutierten Deborah und Joanna vorübergehend im Flüsterton weiter und setzten ihr Wortgefecht dann wieder in voller Lautstärke bis zum Krankenhausausgang fort.
»Hier muss ich euch leider verlassen«, unterbrach Carlton die Diskussion und zeigte auf die Notaufnahme. Dann sah er Joanna an und sagte: »War schön, dich mal wiederzusehen. Das mit deinem Eierstock tut mir Leid.«
»Besten Dank, dass du die Ultraschalluntersuchung für mich arrangieren konntest«, entgegnete Joanna.
»Keine Ursache. Freut mich, wenn ich dir helfen konnte. Ich rufe dich demnächst mal an.«
»Mach das«, sagte Joanna und lächelte. Er lächelte zurück.
Dann nickte er ihr etwas unsicher zu und verschwand durch die Schwingtür.
Deborah sah ihm nach und tat so, als ob sie sich den Finger in den Mund steckte, um zu erbrechen.
»Also bitte!«, wies Joanna sie zurecht. »So schlimm ist er auch nicht.«
»Wie bitte?«, konterte Deborah und wiederholte pikiert Carltons Worte: »›Das mit deinem Eierstock tut mir Leid.‹ Was für ein Spatzenhirn muss er haben und wie gefühllos muss er sein, um so etwas zu sagen! Als ob dir deine Schildkröte von zu Hause entlaufen wäre und du nicht etwa einen wesentlichen Teil deiner weiblichen Identität verloren hättest!«
Sie traten hinaus ins Freie und steuerten das Parkdeck an. Inzwischen war es dunkel geworden, und die Straßenlaternen waren bereits erleuchtet. Aus der Ferne ertönten die Martinshörner heranbrausender Rettungswagen.
»Ärzte sind Tag für Tag mit viel schlimmeren Schicksalen konfrontiert als mit einem entfernten Eierstock«, nahm Joanna Carlton in Schutz. »Er sieht das bestimmt mit anderen Augen als wir. Außerdem hast du selber gesagt, ich würde kaum etwas davon merken, dass mir ein Eierstock fehlt.«
»Aber du warst immerhin seine Verlobte«, widersprach Deborah. »Das ist ja wohl etwas anderes als irgendeine seiner Patientinnen. Aber weißt du was? Vergiss es einfach. Was du von Carlton hältst, ist mir völlig egal. Das ist einzig und allein dein Problem. Lass uns lieber zur eigentlichen Sache zurückkommen. Ich werde der Wingate Clinic heute Abend noch einmal einen Besuch abstatten, und wenn du nicht mitkommst, fahre ich eben alleine. Ich kann mir zwar keinen Zugang zu den Forschungsprotokollen verschaffen, aber ich kann in den Eizellenraum eindringen, und wenn es da irgendwelche belastenden Beweise gibt, werde ich sie finden.«
»Du fährst auf keinen Fall alleine hin!«, wies Joanna sie unmissverständlich zurecht.
»Ach tatsächlich?«, entgegnete Deborah hochnäsig. »Und wie gedenkst du das zu verhindern? Indem du die Luft aus den Reifen lässt oder mich in meinem Zimmer einschließt? Eine andere Möglichkeit hast du nämlich nicht.«
»Ich kann es einfach nicht fassen, dass du dich so hartnäckig auf so eine idiotische Schwachsinnsidee versteifst!«
»Aha…«, gurrte Deborah sarkastisch. »Allmählich scheinst du zu kapieren, wie wichtig mir die Sache ist! Ich bin schwer beeindruckt! Du bist wirklich ein kluges Köpfchen!«
Die zunehmende Schärfe des Streits brachte sie beide innerlich zum Kochen. Wütend stapften sie eisig
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