Cook, Robin
entweichen und atmeten tief ein, wobei die Luft, die Deborah einsog, alles andere als frisch war.
»Das war ja fast so knapp wie vorhin im Lastenaufzug«, zischte Joanna.
»Offenbar hattest du Recht, und sie durchkämmen in einem ersten Schnelldurchgang das gesamte Gebäude«, flüsterte Deborah zurück.
»Am besten rühren wir uns fürs Erste nicht vom Fleck«, schlug Joanna vor. »Für den Fall, dass er noch einmal zurückkommt. Allerdings sollten wir uns allmählich Gedanken darüber machen, wie wir von hier verschwinden.«
Die Minuten zogen sich endlos in die Länge. Vor allem Deborah konnte es kaum mehr aushalten. Eingezwängt im Fuß des Zylinders, der eigentlich nur für einen Menschen gedacht war, bekam sie zusehends Anfälle von Platzangst, und nachdenken oder Fluchtpläne schmieden konnte sie schon gar nicht. Die uralte Matratze in dem Zylinder roch entsetzlich muffig, und der Staub machte ihr genauso zu schaffen. Mehrmals musste sie ihre ganze Willenskraft aufbieten, um nicht laut loszuniesen. Schließlich begann sie auch noch zu schwitzen und wurde zusehends kurzatmiger.
Nach einer halben Stunde konnte sie nicht mehr. »Hast du noch irgendetwas gehört?« zischte sie. »Oder den Strahl einer Taschenlampe gesehen?«
»Ich habe nur von draußen etwas Licht durch die Fenster flackern sehen«, erwiderte Joanna. »Da draußen ist irgendein Licht, das vorhin noch nicht da war.«
»Und im Inneren des Gebäudes?«
»Scheint die Luft rein zu sein.«
»Ich muss hier raus«, sagte Deborah. »Mach die Klappe auf, und versuch dabei möglichst keinen Lärm zu machen.«
Joanna stieß die Klappe an, und sie schwang nahezu lautlos auf.
»Ich komme jetzt«, kündigte Deborah an. »Wenn ich dich dabei an irgendwelchen empfindlichen Stellen begrapschen sollte, entschuldige ich mich schon mal im Voraus.«
Mit einiger Mühe und mehrfachem Grunzen schaffte Deborah es schließlich, sich aus dem engen Zylinder herauszuwinden. Sie suchte schnell nach allen Seiten den Raum ab und registrierte, dass Joanna Recht gehabt hatte: Draußen war es tatsächlich irgendwie heller geworden. Sie wischte sich einmal mit dem Handrücken durchs Gesicht und rückte sich mit den Fingern ihr nassgeschwitztes, schulterlanges Haar zurecht. Sie war völlig ermattet und erschöpft, dabei war die Nacht noch jung, und das Schlimmste stand ihnen noch bevor. Vor ihrem inneren Auge sah sie den mit rasiermesserscharfen Klingen gesicherten Stacheldrahtzaun. Selbst wenn sie es irgendwie aus dem Gebäude schaffen sollten, waren sie noch lange nicht in Sicherheit. Von dem streng gesicherten Gelände der Klinik zu kommen, war alles andere als einfach.
»Wie wär’s, wenn du mir den Stuhl wieder hinstellst«, riss Joanna sie aus ihren Gedanken.
»Oh ja, natürlich«, erwiderte Deborah und schob den Stuhl vor die offene Klappe der eisernen Lunge. Sie war so in ihre Sorgen vertieft, dass sie Joanna glatt für einen Moment vergessen hatte.
»Und?«, fragte Joanna, während sie sich aus dem Zylinder schob und hinabstieg. »Ist dir etwas Kluges eingefallen, wie wir hier rauskommen?«
»Nein«, gestand Deborah. »Ich war dermaßen in dieser verdammten Röhre eingezwängt, dass ich beim besten Willen keinen klaren Gedanken fassen konnte. Und was ist mit dir? Hast du eine Idee?«
»Mir ist tatsächlich etwas durch den Kopf gegangen. Das Kraftwerk könnte der geeignete Weg aus diesem Gebäude sein.«
»Wieso ausgerechnet das Kraftwerk?«, hakte Deborah nach.
»Wenn sie im Kraftwerk Wärme erzeugen, um die Klinik zu beheizen, muss die Wärme ja irgendwie hierher kommen«, erwiderte Joanna. »Also muss es einen Verbindungstunnel geben.«
»Natürlich!«, rief Deborah begeistert. »Du hast Recht!«
»Mir ist im Fahrstuhl aufgefallen, dass es sechs Knöpfe gab«, fuhr Joanna fort. »Ich habe dem zunächst keine Bedeutung beigemessen – bis mir die Idee mit dem Tunnel in den Sinn kam. Unter dem Keller muss es noch ein weiteres unterirdisches Geschoss geben, und genau das dürfte unser nächstes Ziel sein. Je mehr ich über unseren ursprünglichen Plan nachdenke, telefonisch Hilfe herbeizuholen, desto riskanter erscheint mir diese Idee.«
»Aber ich habe nirgendwo einen Zugang zu einem zweiten Kellergeschoss gesehen«, wandte Deborah ein. »Weder in dem Treppenhaus, durch das wir vorhin in den Keller hinabgestiegen sind, noch in dem Treppenhaus, das ich heute Nachmittag benutzt habe.«
»Dann lass uns checken, ob der Lastenaufzug noch weiter nach unten
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