Cook, Robin
führt«, schlug Joanna vor.
»Den können wir auf keinen Fall noch einmal nehmen«, widersprach Deborah. »Der Aufzug macht viel zu viel Lärm.«
»Ich meine auch gar nicht, dass wir den Aufzug selbst nehmen sollen«, erklärte Joanna. »Normalerweise gibt es in jedem Fahrstuhlschacht eine Leiter. Wofür sie genau da ist, weiß ich auch nicht, wahrscheinlich zur Instandhaltung.«
»Seit wann kennst du dich denn mit so etwas aus?«, fragte Deborah. Sie war beeindruckt.
»Das habe ich Carlton zu verdanken«, erklärte Joanna. »Er ist ein großer Fan geistloser Action-Filme, und als ich noch mit ihm zusammen war, blieb mir nichts anderes übrig, als mir einen nach dem anderen mit ihm anzusehen. In den meisten dieser Filme gibt es irgendwann eine Szene in einem Fahrstuhlschacht.«
»Ich denke, es ist einen Versuch wert«, sagte Deborah. »Ob wir wohl lange genug gewartet haben?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Joanna. »Aber da wir sowieso nicht die ganze Nacht hier bleiben können, müssen wir es ja irgendwann versuchen. Ich sehe mal auf dem Flur nach, ob die Luft rein ist.«
»Okay«, entgegnete Deborah. »Dann sehe ich mal nach, was das helle Licht da draußen zu bedeuten hat.«
Während Joanna vorsichtig in Richtung Flur ging, durchquerte Deborah den Raum und steuerte eines der großen Fenster an. Damit man sie von außen nicht sah, ging sie geduckt. Am Fenster hob sie vorsichtig den Kopf und linste über die Fensterbank. Unten auf dem Rasen standen jede Menge Autos mit eingeschalteten Scheinwerfern und strahlten das Gebäude an. Obwohl die Autos ziemlich weit weg standen, duckte Deborah sich schnell wieder, damit man sie auf keinen Fall entdeckte. Im grellen Scheinwerferlicht hatte sie einen flüchtigen Blick auf mehrere uniformierte Männer erhascht, von denen die meisten große Hunde an der Leine führten. Offenbar hatten die beiden schwarz gekleideten Männer Verstärkung angefordert.
Deborah huschte schnell zurück zu Joanna, die an der Tür zum Flur auf sie wartete, und berichtete ihr, was sie draußen gesehen hatte.
»Dass sie jetzt auch noch Hunde einsetzen, klingt gar nicht gut«, stellte Joanna fest. »Eins muss man ihnen lassen: Diese Männer verstehen ihr Handwerk.«
»Davon konnten wir uns ja bereits zur Genüge überzeugen«, entgegnete Deborah.
»Das heißt aber auch, dass uns gar nichts anderes übrig bleibt, als das Gebäude über einen unterirdischen Weg zu verlassen«, fügte Joanna hinzu. Dann informierte sie Deborah, dass die Luft auf dem Hauptflur rein war, doch plötzlich ertönte von draußen ein Testruf durch ein eingeschaltetes Megaphon und ließ sie zusammenfahren.
K APITEL 19
11. Mai 2001, 00.37 Uhr
»Joanna Meissner und Deborah Cochrane!«, tönte es laut aus dem Megaphon und hallte von der Gebäudefront zurück. »Wir fordern Sie auf, das Versteckspiel umgehend zu beenden! Wenn Sie das Gebäude nicht freiwillig verlassen, kommen wir rein und setzen unsere Spürhunde auf Sie an! Die Polizei aus Bookford ist bereits unterwegs! Kommen Sie sofort heraus, und stellen Sie sich!«
»So viel zu unseren sorgfältig ausgewählten Decknamen«, bemerkte Deborah sarkastisch.
»Wenn sie uns wirklich an die Polizei übergeben würden, wäre ich da unten, bevor sie bis drei zählen könnten«, entgegnete Joanna.
»Sie werden uns an niemanden übergeben, so viel steht fest«, entgegnete Deborah.
»Das glaube ich auch«, pflichtete Joanna ihr bei. »Also los! Checken wir den Schacht des Lastenaufzugs – bevor ich die Nerven verliere.«
Da sie mit der Aufteilung des Gebäudes inzwischen etwas vertrauter waren, fanden sie problemlos den Weg zurück zum Treppenhaus, durch das sie gekommen waren. Sie versuchten zunächst, ohne Taschenlampe auszukommen, doch da sie beim Hinabsteigen ständig gegen irgendwelches im Weg stehende Gerümpel stießen, knipsten sie sie schließlich doch an, schirmten den Lichtstrahl aber, so gut es ging, ab. Bevor sie im zweiten Stock auf den Flur hinaustraten, knipsten sie das Licht aus. Während sie den Flur entlanghuschten, hörten sie von draußen erneut durchs Megaphon die dringliche Aufforderung zum Verlassen des Gebäudes.
Im Vorraum des Aufzugs mussten sie das Licht wieder anmachen. Die Türen des Lastenaufzugs waren immer noch halb geöffnet, alles sah genauso aus, wie sie es verlassen hatten. Joanna leuchtete hinein, und durch den Maschendraht an der hinteren Seite sahen sie tatsächlich eine Leiter, die an der Backsteinwand befestigt war
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