Cook, Robin
dem an der Rollbahre vorgesehenen Gestänge aufhängte. »Wer von Ihnen ist Miss Meissner?«, rief sie an die beiden Frauen gewandt.
Joanna hob die Hand.
Cynthia klopfte mit der Hand auf die gepolsterte und mit einem frischen Laken bezogene Bahre. »Was halten Sie davon, es sich auf dieser Pritsche ein bisschen bequem zu machen? Dann kann ich die Injektionskanüle setzen und Ihnen einen Cocktail verabreichen, der Sie auf der Stelle in Silvesterstimmung versetzen wird.«
Deborah legte ihrer Freundin die Hand auf den Arm und sah sie aufmunternd an, woraufhin Joanna der Aufforderung folgte. Deborah stellte sich auf die andere Seite der Bahre und leistete ihr Beistand.
Mit ein paar schnellen, geübten Handgriffen traf Cynthia die für eine intravenöse Infusion notwendigen Vorbereitungen. Dabei plauderte sie fröhlich über das Wetter, und bevor Joanna überhaupt dazu kam, in Panik zu geraten, hatte Cynthia ihr bereits den Stauschlauch um den linken Unterarm gelegt.
Als die Nadel ihre Haut durchdrang, sah Joanna schnell weg und zog eine Grimasse. Bevor sie sich versah, hatte Cynthia ihr den Stauschlauch schon wieder abgenommen und die Kanüle mit Klebeband festgeklebt.
»So, das hätten wir also schon mal«, stellte Cynthia fest.
Joanna drehte sich um und sah die Schwester erstaunt an. »Ist die Kanüle schon drin?«
»Aber ja«, erwiderte Cynthia gut gelaunt, während sie mit zwei Spritzen ein Medikament aufzog. »Jetzt kommt das Vergnügen. Und damit wir auf keinen Fall etwas falsch machen, frage ich lieber noch einmal nach: Sie haben keine Allergien und reagieren nicht überempfindlich auf irgendwelche Medikamente? Ist das richtig?«
»Ja«, erwiderte Joanna.
Cynthia beugte sich über die Öffnung der Infusionskanüle und entfernte die Schutzkappe von der ersten Spritze.
»Was verabreichen Sie mir da eigentlich?«, fragte Joanna.
»Wollen Sie das wirklich wissen?«, fragte Cynthia zurück, während sie die erste Spritze hineindrückte und gleich danach mit der zweiten begann.
»Ja, unbedingt!«
»Diazepam und Fentanyl.«
»Und was heißt das im Klartext?«
»Valium und ein synthetisches opioides Analgetikum.«
»Valium ist mir bekannt. Und was ist das andere?«
»Opioide sind Pharmaka beziehungsweise Substanzen mit morphinartiger Wirkung«, erklärte Cynthia und entsorgte mit ein paar schnellen Handgriffen die Verpackungen und anderen Abfall in einer Sondermülltonne. Während sie unter dem Polster der Bahre ein Klemmbrett hervorzog und einen Vermerk machte, öffnete sich die Tür, und eine weitere Patientin betrat den Raum. Sie lächelte den Frauen zu, steuerte das Regal mit der Krankenhauskleidung an und verschwand in einer der Umkleidekabinen.
»Ob die Frau auch hier ist, um Eizellen zu spenden?«, fragte Joanna.
»Keine Ahnung«, erwiderte Deborah.
»Das ist Dorothy Stevensy«, flüsterte Cynthia, während sie an das Kopfende der Rollbahre ging und die Radblockierung löste. »Sie ist seit Jahren Patientin der Wingate Clinic und hat heute einen weiteren Transfer. Die Arme hat schon viele Enttäuschungen hinter sich.«
»Bringen Sie mich etwa schon in den OP?«, fragte Joanna, als sich die Bahre in Bewegung setzte.
»Allerdings«, erwiderte Cynthia. »Als ich eben die Infusionsflasche geholt habe, hat man mir gesagt, dass Sie dringend erwartet werden.«
»Kann ich meine Freundin begleiten?«, bat Deborah, die die ganze Zeit Joannas Hand gehalten hatte.
»Das geht leider nicht«, erwiderte Cynthia. »Machen Sie es sich bequem, und entspannen Sie sich! In null Komma nichts sind Sie selber an der Reihe.«
»Mach dir keine Sorgen um mich«, sagte Joanna und lächelte Deborah an. »Das morphinartige Zeug beginnt schon zu wirken, und es ist gar nicht so schlecht.«
Deborah drückte ein letztes Mal Joannas Hand. Bevor die Schwingtür hinter der Bahre zufiel, sah Deborah, wie ihre Freundin ihr noch einmal fröhlich über die Schulter zuwinkte.
Deborah kehrte in den eigentlichen Warteraum zurück, steuerte das Sofa an und ließ sich niederplumpsen. Da sie das letzte Mal vor dem Zubettgehen etwas zu sich genommen hatte, hatte sie einen Riesenhunger. Sie nahm sich eine Zeitschrift, stellte aber schnell fest, dass sie sich mit knurrendem Magen nicht konzentrieren konnte. Statt zu lesen, versuchte sie sich deshalb vorzustellen, in welchen Winkel des monströsen Komplexes Joanna wohl gebracht worden war. Sie warf die Zeitschrift zurück auf den Tisch und sah sich um. Genau wie im Hauptwartebereich
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