Cook, Robin
wie ich gehört habe, nimmt er sämtliche Punktionen zusammen mit Dr. Donaldson vor.«
»Ist dieser Dr. Saunders ein eher kleiner Typ mit seltsamen Augen?«
»Ja. Ein komischer Kauz, wenn du mich fragst. Man muss ihm jedes Wort aus der Nase ziehen. Und als er gesehen hat, dass ich schon aufgewacht war, wäre er beinahe ausgerastet.«
»Du machst wohl Witze!«, stellte Deborah fest.
»Nein, im Ernst.«
»Das ist ja verrückt! An mir hat er nämlich auch seinen Ärger ausgelassen.«
»Das gibt’s doch gar nicht!«, wunderte sich Joanna. »Dann hat er wohl wirklich ein Problem. Und ich habe mich schon gefragt, ob ich mal wieder zu empfindlich bin. Du weißt ja, wie ich auf Leute reagiere, die ständig ihre Macht und Autorität zur Schau stellen.«
»Allerdings«, entgegnete Deborah. »Und du glaubst, er war wütend, weil du schon wach warst?«
»Ja«, bestätigte Joanna. »Er hat den Krankenpfleger vor meinen Augen angefahren, weil der ihm ein paar Minuten zuvor am Telefon mitgeteilt hatte, dass ich noch schlafen würde. Wahrscheinlich wollte er nur schnell einen Blick auf mich werfen und sofort wieder verschwinden. So musste er mir wohl oder übel Rede und Antwort stehen.«
»Das ist ja wirklich absurd«, stellte Deborah fest.
»Der Pfleger hat Dr. Saunders’ Verhalten damit entschuldigt, dass er sehr beschäftigt sei.«
»Mir gegenüber war er auch ziemlich taktlos. Wie alle anderen fing er natürlich auch sofort damit an, wie viel besser es sei, den Eingriff unter Vollnarkose durchzuführen. Aber ich bin bei meinem Nein geblieben, und da ist er wütend geworden. Inzwischen ist mir klar, warum ich unbedingt nüchtern erscheinen sollte. Sie sind davon ausgegangen, dass sie mich umstimmen würden.«
»Aber du hast die Narkose standhaft abgelehnt?«
»Natürlich!«, erwiderte Deborah. »Ich habe damit gedroht, auf der Stelle aufzustehen und die Klinik zu verlassen, und es hat wirklich nicht viel gefehlt. Wenn Dr. Donaldson nicht gewesen wäre und die Gemüter ein wenig beruhigt hätte, wäre ich wahrscheinlich weg gewesen, aber am Ende ging dann alles seinen Gang.«
»Lass uns am besten so schnell wie möglich von hier verschwinden«, schlug Joanna vor.
»Nichts lieber als das«, stimmte Deborah zu. Sie öffnete die Lamellentür der Umkleidekabine, winkte Joanna noch einmal zu und verschwand.
Während Joanna sich ihrer Krankenhauskleidung entledigte und sie in einen bereitstehenden Wäschekorb warf, hörte sie, wie Deborah im Warteraum geräuschvoll ihr Schließfach öffnete. Für einen Augenblick betrachtete sie sich in dem lebensgroßen Spiegel. Wenn sie an die kleinen Einschnitte unter den Pflastern auf ihrem Bauch dachte, musste sie sich schütteln; sie erinnerten sie daran, dass vor einer guten Stunde jemand ihre Eingeweide von innen betrachtet hatte.
Die nebenan zuknallende Lamellentür riss sie jäh aus ihren Gedanken. Sie wollte Deborah, die fürs Anziehen immer nur ein paar Sekunden brauchte, auf keinen Fall warten lassen. Also beeilte sie sich. Zum Schluss bürstete sie ihr Haar, das sie für den Eingriff zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte und das vollkommen in Unordnung war. Noch während sie mit ihrer Frisur beschäftigt war, hörte sie Deborah ihre Kabine verlassen.
»Was machst du denn so lange da drinnen?«, rief Deborah ungeduldig aus dem Wartezimmer.
»Ich bin sofort fertig«, erwiderte Joanna. Ihr Haar, das sie seit der Highschool hatte wachsen lassen, war heute noch schlechter zu bändigen als sonst; manchmal hasste sie es regelrecht. Sie warf einen letzten Blick in den Spiegel und öffnete die Tür. Deborah empfing sie mit einem missmutigen Blick.
»Ich habe mich extra beeilt«, stellte Joanna klar.
»Davon habe ich nichts gemerkt«, entgegnete Deborah. »Vielleicht solltest du es mal mit einer Kurzhaarfrisur versuchen. Dann sparst du dir eine Menge Ärger.«
»Niemals«, versicherte Joanna und meinte es absolut ernst. Auch wenn ihre wallende Mähne ihr manchmal den letzten Nerv raubte, liebte sie ihr langes Haar.
Die beiden Freundinnen riefen Cynthia ein Dankeschön zu. Die Schwester winkte ihnen zum Abschied und widmete sich sofort wieder ihrer Arbeit. Die Frauen im Warteraum sahen kurz auf, und einige lächelten sogar, doch bevor Joanna und Deborah durch die Schwingtür verschwunden waren, hatten sie sich alle wieder in ihre jeweiligen Zeitschriften vertieft.
»Mir fällt gerade ein, dass wir etwas Wichtiges vergessen haben«, sagte Deborah, als sie den
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