Cook, Robin
und eine hellrosafarbene Strickjacke, die sie ebenfalls hoch zugeknöpft hatte. Dazu hatte sie sich für eine Brille mit unsichtbarem Plastikrand und unscheinbares braunes Haar entschieden.
»Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie dir eine Stelle anbieten«, brach Joanna plötzlich das lange Schweigen. »Vielleicht bekomme nicht mal ich einen Job, weil sie mich automatisch mit dir in Verbindung bringen.«
Deborah, die bisher gelangweilt aus dem Fenster gesehen hatte, drehte sich zu ihr um. Anstatt etwas zu erwidern, beugte sie sich nach vorn und schaltete das Radio aus.
Joanna bedachte ihre Freundin mit einem flüchtigen Blick und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
»Bist du deshalb so schweigsam?«, fragte Deborah. »Du hast keinen Ton gesagt, seitdem wir heute Morgen losgefahren sind.«
»Du hattest mir versprochen, die Sache ernst zu nehmen«, klagte Joanna.
Deborah starrte ein paar Sekunden auf ihre in einer Seidenstrumpfhose steckenden Knie. »Aber ich nehme die Sache doch ernst. Was spricht denn dagegen, nebenbei auch ein bisschen Spaß zu haben?«
»Ich weiß wirklich nicht, was ich an deiner Aufmachung spaßig finden soll. In meinen Augen ist sie nichts weiter als eine Demonstration schlechten Geschmacks.«
»Das siehst du vielleicht so«, entgegnete Deborah. »Und ich selber ja paradoxerweise auch. Aber es gibt mit Sicherheit Leute, die da völlig anderer Meinung sind, vor allem natürlich Männer.«
»Du kannst doch wohl nicht im Ernst glauben, dass Männer dein Outfit sexy finden, oder?«
»Doch«, erwiderte Deborah. »Davon gehe ich aus. Natürlich nicht alle, aber viele. Was meinst du, wie oft ich schon Männer beobachtet habe, die beim Anblick aufreizend gekleideter Frauen völlig aus dem Häuschen geraten sind? Irgendeine Reaktion zeigen sie immer. Wieso und warum, ist mir ziemlich egal, aber ich möchte endlich mal erleben, was es für ein Gefühl ist, offen begehrt zu werden.«
»Das ist doch ein Ammenmärchen«, entgegnete Joanna. »Ich halte es eher für eine typisch weibliche Wahrnehmungsstörung, ähnlich wie Männer immer meinen, dass sie uns ausgerechnet mit dicken Muskelpaketen antörnen können.«
»Aber nein!«, protestierte Deborah und machte eine abwehrende Handbewegung. »Das ist doch etwas völlig anderes. Da merkt man wieder, welch tiefe Spuren deine traditionelle weibliche Erziehung hinterlassen hat. Darf ich dich vielleicht daran erinnern, dass Mann und Frau heutzutage miteinander ausgehen, ohne gleich ans Heiraten zu denken? Männer gaffen Frauen an und flirten mit ihnen, weil sie Spaß daran haben. Anmache ist eine Art Freizeitvergnügen, und das darf auch die moderne Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts so sehen.«
»Darum geht es gar nicht«, stellte Joanna klar. »Und darüber will ich auch nicht mit dir streiten. Der Punkt ist, dass wir einen Vorstellungstermin bei einer Frau haben und ich kaum glaube, dass sie dein Outfit besonders ansprechend findet. Ich mache mir Sorgen, dass du den Job nicht bekommst, das ist alles.«
»Ich glaube, du täuschst dich«, entgegnete Deborah. »Auch wenn die Personalleiterin eine Frau ist, muss sie bei Einstellungsangelegenheiten auf dem Teppich bleiben. Ich bewerbe mich auf eine Stelle als Laborkraft, das heißt, ich habe keinen Patientenkontakt. Außerdem wurde die rothaarige Empfangssekretärin ja auch eingestellt, und die war ja wohl kaum züchtiger angezogen als ich.«
»Aber warum ein Risiko eingehen?«, bohrte Joanna weiter.
»Ich dachte, wir wollten sichergehen, dass sie uns nicht wieder erkennen«, erwiderte Deborah. »Das war doch vor allem dein Wunsch. So werden sie sich jedenfalls bestimmt nicht an uns erinnern, und gleichzeitig haben wir bei der Sache auch noch unseren Spaß. Vergiss nicht – ich bin angetreten, dich endlich von deinen verklemmten Ansichten zu befreien, und einen Rückfall in deine alten Denkmuster lasse ich schon gar nicht zu.«
»Ich glaube, ich höre nicht richtig!«, empörte sich Joanna. »Jetzt willst du mir also auch noch einreden, dass du dich meinetwegen wie eine Hure herausgeputzt hast!«
»Okay, ich tue es vorwiegend für mich und weil es mir Spaß macht, aber ein bisschen tue ich es auch für dich.«
Als sie Bookford erreichten und das Zentrum passierten, hatte Joanna sich bereits mit Deborahs provokativem Äußeren abgefunden. Im schlimmsten Fall würde Deborah eben eine Absage erhalten, und das musste noch lange nicht bedeuten, ihr ebenfalls die Stelle
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