Cook, Robin
konnte. Als seine Kinder, die er früh bekommen hatte, aus dem Haus waren und das College besuchten, hatte er sich sofort scheiden lassen. Zum Glück war das zu einem Zeitpunkt gewesen, als die Wingate Infertility Clinic noch keine horrenden Gewinne abgeworfen hatte. Seine Frau hatte das Haus bekommen, das nicht gerade ein Palast war, und eine einmalige Zahlung.
»Dr. Wingate!«, rief der Pilot nach hinten. »Soll ich Ihnen per Funk Ihren Wagen bestellen?«
»Ja«, rief Spencer zurück. »Sie sollen ihn aufs Rollfeld bringen.«
»Aye, aye, Sir«, entgegnete der Pilot.
Spencer versank erneut in Gedanken. An schönen Frauen hatte es in Naples natürlich keinen Mangel gegeben, er hatte nur Probleme gehabt, sie kennen zu lernen, und die, die sich mit ihm eingelassen hatten, hatte er nicht besonders beeindrucken können. Spencer hielt sich zwar für einen reichen Mann, aber in Naples gab es genug Konkurrenten, die ihn in jeder Hinsicht ausbooten konnten, weil sie nicht nur noch reicher waren, sondern auch sonst mehr zu bieten hatten.
So war das Einzige, was ihm von seinem ursprünglichen Traum eines Lebens als reicher Frührentner geblieben war, die Möglichkeit, ausgiebig zu relaxen. Doch auch das hatte bereits nach einem Winter seinen Reiz verloren und füllte ihn nicht mehr aus. Im Januar erreichten ihn dann die ersten Nachrichten, dass die Gewinne der Klinik in den Keller gingen. Zuerst hatte er geglaubt, dass es sich bestimmt um einen Irrtum oder um einen Buchungstrick handeln musste – dass vielleicht ein größerer Posten in einem einzigen Monat abgeschrieben worden war –, doch leider wurden die Zahlen nicht besser. Natürlich versuchte er, dem Gewinneinbruch aus der Ferne auf den Grund zu gehen, und wie er feststellte, war es nicht etwa so, dass die Einnahmen zurückgegangen wären. Ganz im Gegenteil sogar! Der Grund für die zurückgehenden Gewinne waren drastisch in die Höhe geschossene Forschungskosten. Spencer hatte das Gefühl, dass seine Anwesenheit vor Ort dringend erforderlich war. Als er Paul Saunders die Leitung der Klinik anvertraut hatte, hatte er ihm klar gesagt, dass er Forschungsvorhaben unterstütze, doch offenbar war ihm die Situation entglitten.
»Wie ich gerade erfahren habe, steht Ihr Wagen schon vor dem Jet-Smart-Aviation-Gebäude bereit!«, rief der Pilot Spencer zu. »Würden Sie sich jetzt bitte anschnallen? Wir setzen zur Landung an.«
Spencer streckte dem Piloten seinen hochgereckten Daumen entgegen. Er hatte den Gurt bereits angelegt. Kurz vor dem Aufsetzen sah er noch einmal aus dem Fenster und entdeckte sein weinrotes, in der Morgensonne glitzerndes Bentley Cabrio. Er liebte sein Auto. Manchmal fragte er sich, ob er den Bentley nicht mit nach Naples hätte nehmen sollen. Vielleicht hätte er dann mehr Glück bei den Frauen gehabt.
Joanna hatte den Frühling mit all seiner Blumenpracht und der Aussicht auf warme, milde Sommerabende immer geliebt. In Houston hatte der Frühling stets besonders früh Einzug gehalten und die langweilige, flache Landschaft manchmal über Nacht in eine bunte Märchenwelt aus Azaleen, Tulpen und Hornsträuchern verwandelt. Während sie Boston auf dem Weg nach Bookford in nordwestlicher Richtung verließ, versuchte sie, an diesen herrlichen Frühlingszauber zu denken und an die euphorischen Gefühle, die er immer in ihr geweckt hatte, allerdings fiel ihr das nicht gerade leicht.
Zum einen konnte sie weit und breit keine blühende Blume entdecken und somit auch keine bunten Farben, wenn man mal von den grünen Wiesen und den knospenden Bäumen absah. Zum anderen hatte sie sich ziemlich über Deborah geärgert, die neben ihr auf dem Beifahrersitz saß und fröhlich die aus dem Radio dudelnden Soft-Rock-Melodien mitträllerte. Obwohl sie ihr versprochen hatte, es mit der Verkleidung beziehungsweise Typänderung nicht zu übertreiben, hatte sie die Grenze für Joannas Geschmack weit überschritten. Sie hatte sich das Haar rotblond gefärbt und knallroten Lippenstift und knallroten Nagellack auf die zudem auch noch künstlich verlängerten Nägel aufgetragen. Dazu trug sie ein tief ausgeschnittenes Minikleid, einen ihren Busen vergrößernden Wonderbra und hochhackige Stöckelschuhe. Und als ob das noch nicht ausreichte, baumelten an ihren Ohren lange Ohrringe. Ihren Hals zierte eine mit Rheinkieseln besetzte Kette. Im starken Kontrast zu Deborah trug Joanna einen dunkelblauen, wadenlangen Rock, eine bis oben zugeknöpfte weiße Bluse mit Kragen
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