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Cook, Robin

Titel: Cook, Robin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schock
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hatten, hatten sie zum ersten Mal freie Sicht auf das alte Cabot-Gebäude.
    »Es sieht noch gruseliger aus, als ich es in Erinnerung hatte«, stellte Deborah fest und beugte sich ein Stück vor, um besser durch die Windschutzscheibe sehen zu können. »Diese seltsamen steinernen Wasserspeier an den Regenrinnen sind mir beim letzten Mal gar nicht aufgefallen.«
    »An diesem alten Gemäuer gibt es so viele viktorianische Verzierungen, dass man sie gar nicht alle erfassen kann«, entgegnete Joanna. »Kein Wunder, dass die Angestellten das Gebäude als Ungetüm bezeichnen.«
    Die kurvige Schotterstraße führte zu dem Parkplatz auf der Südseite des Gebäudes. Als sie den Höhepunkt eines kleinen Hügels erreichten, sahen sie im Osten einen Schornstein in den Himmel ragen. Wie bei ihrem Besuch der Klinik vor eineinhalb Jahren spuckte er eine dicke Rauchfahne aus.
    »Dieser Schornstein erinnert mich daran, dass ich ganz vergessen habe, dir ein weiteres gruseliges Detail über dieses ehemalige Sanatorium zu erzählen«, sagte Deborah.
    Joanna entdeckte eine freie Lücke, parkte den Wagen und stellte den Motor ab. Dann zählte sie leise bis zehn und hoffte, dass sie diesmal nicht nachbohren musste und Deborah sie freiwillig einweihte. »Ich gebe auf«, seufzte sie schließlich. »Was hast du vergessen, mir zu erzählen?«
    »Das Cabot verfügte nicht nur über ein eigenes Kraftwerk, sondern auch über ein eigenes Krematorium. Als ich das gehört habe, ist mir irgendwie ganz mulmig geworden. Ich musste sofort daran denken, ob sie die sterblichen Überreste der Patienten damals wohl zum Beheizen der Heilanstalt verwendet haben.«
    »Was für eine entsetzliche Vorstellung!«, rief Joanna schockiert. »Wie kommst du bloß auf so abstruse Ideen?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Deborah. »Einfach so. Das Krematorium, das mit Stacheldraht gesicherte Gelände, die Farmarbeiter – irgendwie musste ich bei all dem an ein Konzentrationslager der Nazis denken.«
    »Lass uns reingehen«, schlug Joanna vor. Auf dieses abwegige Hirngespinst wollte sie lieber gar nicht näher eingehen. Sie öffnete die Autotür und stieg aus. Deborah tat es ihr gleich.
    »In einem Krematorium konnte man sicher prima jeden Kunstfehler und jedes Missgeschick vertuschen«, fuhr Deborah unbeirrt fort.
    »Komm endlich!«, drängte Joanna. »Wir sind schon spät genug dran. Wir besorgen uns jetzt unsere Jobs, und dann sehen wir weiter.«

K APITEL 9
     
     
    9. Mai 2001, 10.25 Uhr
     
    Es roch warm, feucht und nach Tier. Paul Saunders trug eine OP-Maske vor dem Gesicht, allerdings nicht, um sich vor einer Infektion mit Keimen zu schützen, sondern weil er den Gestank im Schweine-Geburtsstall einfach unerträglich fand. Neben ihm standen Sheila Donaldson und der Veterinär Greg Lynch, ein kräftig gebauter Mann, den Paul mit einem stattlichen Gehalt und der Aussicht auf lukrative Aktien von der Tufts University abgeworben hatte. Paul und Sheila hatten sich OP-Kittel über ihre normale Kleidung gestreift und Gummistiefel angezogen. Greg trug eine dicke Gummischürze und Gummihandschuhe.
    »Hatten Sie nicht gesagt, die Geburt stünde unmittelbar bevor?«, beschwerte sich Paul. Seine Hände steckten in OP-Handschuhen, die Arme hatte er demonstrativ vor der Brust verschränkt.
    »Es sieht nach wie vor alles danach aus, als ob es gleich losginge«, entgegnete Greg. »Außerdem ist die Sau seit zweihundertneunundachtzig Tagen trächtig. Damit ist sie lange über dem Termin.« Er tätschelte dem Schwein liebevoll den Kopf, woraufhin es einen gellenden, langen Schrei ausstieß.
    »Können Sie die Geburt denn nicht einleiten?«, fragte Paul. Das durchdringende, hohe Gequieke der Sau raubte ihm den letzten Nerv. Er warf einen Blick über das Gatter des Stalls und sah Carl Smith an, als wollte er ihn fragen, ob er denn kein Oxytocin oder irgendein anderes Gebärmutterstimulans mitgebracht hatte. Carl stand neben dem Beatmungsgerät, das speziell für die Farm angeschafft worden war. Für den Fall, dass eine Notsituation eintreten sollte, konnte der Anästhesist umgehend eingreifen.
    »Es ist besser, der Natur ihren Lauf zu lassen«, befand Greg. »Lange kann es nicht mehr dauern. Vertrauen Sie mir.«
    Kaum hatte er zu Ende gesprochen, da ergoss sich ein gewaltiger Schwall Fruchtwasser aus der trächtigen Sau und tränkte den mit Stroh bedeckten Boden. Die Sau stieß einen weiteren ohrenbetäubenden Schrei aus. Paul und Sheila mussten schnell zur Seite springen, um nicht von

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