Cook, Robin
zwei Schichten. Oben lag ein Film aus Mineralöl und darunter eine etwa sechzig Eizellen enthaltende Kulturflüssigkeit.
Mare setzte sich auf die eine Seite des Binokular-Mikroskops und bedeutete Deborah, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Dann stellte sie das Einbaulicht und das Ultraviolettlicht an, und die beiden Frauen beugten sich über die Okulare.
Während der folgenden Stunde erhielt Deborah eine praktische Einführung über den Eizellkerntransfer mit Mikropipetten. Zuerst musste der Zellkern aus den Eizellen entfernt werden. Dann wurden kleinere, adulte Zellen unter die äußere Eihülle gebracht. Der Vorgang erforderte ein gewisses Maß an Geschicklichkeit, doch Deborah verstand schnell, worauf es ankam. Nach einer Stunde war sie schon fast so gut wie Mare.
»Damit haben wir diese Partie fertig«, stellte Mare schließlich fest. Sie sah vom Mikroskop auf, lehnte sich zurück und machte ein paar Streckübungen für ihre Schultermuskeln. »Hut ab. Du hast es schneller kapiert, als ich gedacht hätte.«
»Dank deiner erstklassigen Anleitung«, entgegnete Deborah und streckte sich ebenfalls. Die Handhabung der Mikropipetten erforderte eine derartige Konzentration, dass nach einer gewissen Zeit in gebückter Haltung über dem Mikroskop sämtliche Muskeln verspannt waren.
»Dann bringe ich die Eizellen jetzt zu den Kollegen, die sich um die Verschmelzung kümmern«, fuhr Mare fort. »Wenn ich wiederkomme, bringe ich dir eine präparierte Petrischale mit. Ich wüsste nicht, warum du nicht eigenständig arbeiten solltest. Normalerweise brauchen Neulinge mindestens ein oder zwei Tage, aber du arbeitest ja jetzt schon wie ein Profi.«
»Nun übertreibst du aber wirklich«, entgegnete Deborah. »Aber eins möchte ich doch noch wissen: An was für Eizellen arbeiten wir hier eigentlich? Stammen sie von Rindern oder von Schweinen?« Sie hatte schon weibliche Gameten verschiedener Spezies gesehen, und zwar nicht nur auf vergrößerten Fotos, sondern auch schon in echt im Universitätslabor. Daher wusste sie, dass sich die Eizellen verschiedener Spezies frappierend ähnlich sahen. Sie variierten nur, was ihre Größe betraf, die Unterschiede konnten allerdings beträchtlich sein. Von der Größe her vermutete Deborah, dass sie es mit Eizellen von Schweinen zu tun hatten; Rindereizellen hatte sie deutlich größer in Erinnerung – aber es war nicht mehr als eine bloße Vermutung.
»Weder noch«, erwiderte Mare. »Es sind alles menschliche Eizellen.«
Auch wenn Mare auf eine sachliche Frage sachlich geantwortet hatte, traf die Antwort Deborah wie ein Schlag mit dem Holzhammer. Während der Stunde, die sie konzentriert an den Eizellen gearbeitet hatte, wäre es ihr im Traum nicht in den Sinn gekommen, dass sie da menschliche Eizellen unter dem Mikroskop hatte. Bei dem Gedanken erzitterte sie innerlich, erst recht, wenn sie daran dachte, dass man ihr für eine einzige Eizelle fünfundvierzigtausend Dollar bezahlt hatte.
»Bist du sicher, dass es menschliche Eizellen sind?«, brachte sie schließlich hervor.
»Ziemlich sicher«, erwiderte Mare. »Jedenfalls wüsste ich nicht, was es sonst für Eizellen sein sollten.«
»Aber was… was machen wir dann hier?«, stammelte Deborah. »Und von wem stammen diese Eizellen?«
»Das geht uns nichts an«, stellte Mare fest. »Wir arbeiten hier in einer extrem erfolgreichen und ausgelasteten Klinik zur Behandlung von Unfruchtbarkeit. Wir helfen unseren Patientinnen, schwanger zu werden.« Bei diesen Worten zuckte sie mit den Schultern. »Es sind halt Eizellen von irgendwelchen Patientinnen.«
»Aber ein Transfer von Zellkernen ist doch nichts anderes als klonen!«, wandte Deborah aufgebracht ein. »Und wenn das hier tatsächlich menschliche Eizellen sind, klonen wir irgendwelche Menschen!«
»Was das technische Verfahren angeht, magst du vielleicht Recht haben«, räumte Mare ein. »Aber das gehört nun mal zu unserer Arbeit mit embryonalen Stammzellen. Privaten Kliniken wie der Wingate Clinic ist es erlaubt, überschüssige Eizellen, die nicht für eine Befruchtung verwendet werden und die sonst im Mülleimer landen würden, für die Stammzellenforschung zu nutzen. Wir bekommen keinerlei öffentliche Gelder, also muss auch kein Gegner dieser Art von Forschung befürchten, unsere Arbeit etwa durch seine Steuern zu unterstützen. Außerdem arbeiten wir hier, wie gesagt, nur mit überschüssigen Gameten. Die Patientinnen, denen sie entnommen wurden, haben ausdrücklich
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