Cook, Robin
stellte Christine fest. »Deshalb kann ich es mir vermutlich schenken, Ihnen lang und breit unser System zu erklären. Es ist absolut einfach zu handhaben, und außerdem haben Sie ja auch bereits mit Randy Porter gesprochen.«
»Ich denke, ich werde mich ohne Probleme zurechtfinden«, versicherte Joanna.
»Na, dann können Sie ja gleich loslegen«, schlug Christine vor. »Am besten zeige ich Ihnen jetzt Ihren Arbeitsplatz. Es wartet bereits ein voller Eingangskorb auf Sie.«
Sie führte Joanna zu der am weitesten vom nächsten Fenster entfernten Nische. Der kleine Arbeitsbereich grenzte direkt an den Hauptflur und war rein funktional eingerichtet: es gab einen Standard-Schreibtisch aus Metall, einen Aktenschrank, einen Schreibtischstuhl, einen weiteren Stuhl und einen Papierkorb. Auf dem Schreibtisch befanden sich ein überquellender Eingangskorb, ein Ausgangskorb, eine Tastatur mit dazugehöriger Maus und angeschlossenem Bildschirm sowie ein Telefon. Die Trennwände waren vollkommen nackt.
»Besonders gemütlich sieht Ihr Arbeitsplatz noch nicht aus«, räumte Christine ein. »Aber Sie dürfen sich Ihr neues Reich gern mit persönlichen Gegenständen verschönern.«
»Keine Sorge«, entgegnete Joanna. »Mir gefällt es.« Sie legte ihre Handtasche auf dem Schreibtisch ab und lächelte ihre Vorgesetzte an.
Als Nächstes machte Christine sie mit ihren neuen Kolleginnen und Kollegen aus den benachbarten Nischen bekannt. Sie machten einen freundlichen Eindruck und schüttelten Joanna zur Begrüßung über die brusthohen Trennwände hinweg die Hand.
»Ich denke, dann können Sie loslegen«, stellte Christine fest. »Falls Sie irgendein Problem haben, können Sie mich jederzeit fragen. Dafür bin ich da.«
Joanna versicherte, das zu tun, und winkte kurz, als ihre Vorgesetzte sie schließlich allein ließ. Dann drehte sie sich zu ihrem Schreibtisch um, holte ihr Handy aus der Handtasche und wählte Deborahs Nummer, doch offenbar wurde sie noch in ihre neuen Aufgaben eingewiesen; jedenfalls sprang die Mailbox an. Joanna bat um Rückruf, sobald sie einen Augenblick Zeit habe.
Schließlich ließ sie sich vor ihrer Tastatur nieder und zog ihre blaue Karte durch den Schlitz. Auf dem Monitor öffnete sich ein Fenster, und sie wurde aufgefordert, ein neues Passwort einzugeben. Sie entschied sich für das Wort Anago; das war der Name ihres Lieblingsrestaurants in Boston. Sie loggte sich in das Kliniknetz ein und checkte in der nächsten Viertelstunde, auf welche Dateien sie mit ihrer Zugangsberechtigung Zugriff hatte. Wie sie erwartet hatte, waren ihre Befugnisse äußerst beschränkt, und zu den Spenderdateien, denen ihr eigentliches Interesse galt, hatte sie natürlich keinen Zugang.
Als Nächstes widmete sie sich dem bereitstehenden, überquellenden Eingangskorb. Sie wollte möglichst schnell möglichst viel abarbeiten, damit niemand auf die Idee kam, wegen irgendwelcher liegen gebliebenen Arbeit nach ihr zu suchen, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergab und sie zu ihrer Exkursion in den Server-Raum aufbrach.
Binnen kürzester Zeit hatte sie sich einen ersten Überblick verschafft und staunte, wie viel Geld die Klinik einnahm. Dabei hatte sie erst einen kleinen Teil der Geldeingänge eines einzigen Vormittags bearbeitet. Sie wusste zwar noch nicht, welche Kosten den Eingängen gegenüberstanden, doch sie vermutete, dass mit dem Leid unfruchtbarer Paare äußerst lukrative Geschäfte gemacht wurden.
Deborah nickte alle paar Sekunden, um wenigstens den Anschein zu erwecken, als würde sie aufmerksam zuhören. Sie saß in dem sardinenbüchsenengen Büro der Laborleiterin, das sich direkt neben dem großen Labor befand. An allen vier Wänden des winzigen Raums standen Regale, die mit Handbüchern, wissenschaftlichen Nachschlagewerken und losen Papierstapeln voll gestopft waren. Die Laborleiterin war eine kleine Frau mit mausgrauem, von tiefgrauen Strähnen durchsetztem Haar, das ihr permanent in die Augen fiel. Beinahe exakt alle eineinhalb Minuten warf sie den Kopf in den Nacken, um die widerspenstigen Strähnen aus ihrem Gesicht zu schleudern. Die nervösen Zuckungen der Frau machten Deborah wahnsinnig, und sie konnte nur mühsam dem Drang widerstehen, sie weiter anzusehen, ohne sie bei den Schultern zu packen und sie aufzufordern, endlich mit diesem Gezucke aufzuhören.
Während Megan Finnigan ihr einen Kurzvortrag über die verschiedenen, in der Wingate Clinic angewandten Labortechniken hielt, drifteten
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