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Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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kamen schließlich auch Hybrid-Modelle auf den Markt – äußerlich elegant, aber mit bequemer Gummisohle.
    Die trendigen, verspielten Jump-Shoot-Sneakers verloren ihren Glanz. Das Reich, über das der Klient geherrscht hatte, ging unter und zerfaserte zu einem Flickenteppich aus verschiedenen Stämmen, Cliquen und Nischenbewohnern, so wie manche Stadtviertel, wo jeder Häuserblock von einer anderen Gang kontrolliert wird.
    Aber die Schuhe, die vor uns standen, erinnerten an jene Ur-Modelle aus den alten Tagen, die Antoine in seiner Bude in der Bronx liebevoll in ihren Schachteln aufbewahrte, an jene längst vergangenen goldenen Zeiten, als Sneakers noch keine Raumschiffe gewesen waren. Sie strahlten eine geradezu unverschämte Echtheit, Kraft und Vollkommenheit aus.
    Pure Coolness eben.
     
    »Wow«, hauchte Jen.
    »Krass.« Aus einem Reflex heraus zückte ich mein Handy und machte ein Foto.
    »Wow«, sagte sie noch einmal.
    Als ich mich bückte und die Schuhe berührte, leuchtete meine Hand im Sonnenlicht, als würde ich reine Magie anfassen. Das Obermaterial bestand aus einem Gewebe, das ich nicht kannte, es fühlte sich so rau und nachgiebig an wie Leinen, schimmerte dabei aber silbrig wie Metall. Die Schnürsenkel glitten durch meine Finger, als wären sie aus reiner Seide. Die Ösen schienen dünne Speichen zu haben, die rotierten, als ich die Schuhsohle zusammenbog. Anscheinend dieselbe Technik wie die Bilder auf 3-D-Postkarten, die sich je nach Blickwinkel verändern.

    Aber es waren nicht diese Details, die sie so unglaublich machten. Es war die Tatsache, dass sie mir zuzuraunen schienen: »Zieh mich an!«; es war die Gewissheit, darin fliegen zu können, das unbedingte Bedürfnis, sie zu besitzen. Und zwar sofort.
    Dieses Gefühl hatte ich nicht mehr gespürt, seit ich zehn gewesen war.
    »Das war es also, was Mandy uns zeigen wollte.«
    »Unglaublich. Kein Wunder, dass der Klient so ein Geheimnis darum macht.«
    »Der Klient? Schau mal genauer hin, Hunter.«
    Jen deutete auf den in die Zunge eingesetzten Kreis aus Kunststoff, in dem weiß auf weiß das berühmte Logo des Klienten prangte. Nachdem mein Gehirn sich vom ersten Entzückungsschock erholt hatte, sah ich, was Jen sofort bemerkt hatte: Der geschwungene Bogen – der zusammen mit der weißen Fahne der Kapitulation und dem gelben M eines der bekanntesten Symbole der Welt ist – war mit einem roten Balken diagonal durchgestrichen. Ein Zeichen, das auf der ganzen Welt verstanden wird.
    Ein Anti-Logo.
    »Eine Fälschung«, murmelte ich. Dieser im Verborgenen florierende Geschäftszweig ist nämlich noch so eines der Geheimnisse Chinatowns. In vielen kleinen, unauffälligen Läden der Canal Street kann man Uhren und Jeans, Handtaschen, T-Shirts, Portemonnaies und Gürtel berühmter Designer kaufen. Die Labels sind fein säuberlich per Hand aufgenäht und alles ist billig und gefälscht. Manche der Fälschungen sind lächerlich stümperhaft, andere annehmbar und einige von ihnen kann nur eine wahre Kennerin wie Vivienne Von-und-Zu
anhand eines verräterischen kleinen Details als Plagiat entlarven.
    Aber ich hatte noch nie eine Fälschung gesehen, die besser war als ihr Original.
    »Fälschung ist nicht das richtige Wort, Hunter. Durch den roten Balken erkennt jeder ja sofort, was es nicht ist.«
    »Hm, stimmt. Ein echter Fälscher würde das wohl kaum machen.«
    »Aber wer dann? Was hat man davon, eine Fälschung herzustellen, die man dann als Fälschung kennzeichnet?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich weiß nur, dass diese Schuhe unfassbar gut sind. Sie sind der Inbegriff des perfekten Schuhs, den der Klient nie hergestellt hat, sosehr er es auch versucht hat.«
    Jen schüttelte ratlos den Kopf. »Arbeitet Mandy denn auch noch für andere Unternehmen? Aus irgendeinem Grund muss sie uns ja herbestellt haben.«
    »Nein.« Ich runzelte die Stirn. »Aber vielleicht ist der Schuh ja doch vom Klienten und sie wollen sich mit einem Gegenstück zu ihrer eigenen Marke neu auf dem Markt positionieren. Das Ganze könnte eine Art virale Marketingaktion sein. Die Schuhe sollen absichtlich wie eine Fälschung aussehen, die jeder unbedingt haben will. Und wenn sie dann zu hip werden und jeder ein Paar hat, profitiert der Klient indirekt wieder davon, weil die Schuhe, die er unter seinem eigentlichen Markennamen herstellt, auf einmal wieder cool sind. Vielleicht sind sie so eine Art ironische Fälschung.«
    Verwirrend? Glaubt mir, ich bekam selbst davon

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