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Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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leise.
    »Nein, was Besseres.« Ich stellte mein Handy auf Kamerafunktion und schaltete die Fotoleuchte ein, wobei ich darauf achtete, mich nicht selbst zu blenden. Das Licht durchschnitt die tiefschwarze Dunkelheit wie der Strahl einer kleinen Taschenlampe. Sehr praktisch, wenn man nachts beim Heimkommen nicht gleich das Schlüsselloch findet.
    »Gibt es eigentlich auch irgendwas, was dein Wunderhandy nicht kann?«
    »Es kann nichts gegen wahnsinnige Cracksüchtige ausrichten«, sagte ich, »oder gegen Soldaten der chinesischen Geheimregierung. «
    »Der chinesischen was ?«
    »Erklär ich dir später.« Wir setzten unseren Weg nach unten fort, wobei das bläuliche Licht des Handys unseren tanzenden Schatten eine geisterhafte Blässe verlieh.
    Als wir das Erdgeschoss erreichten, schaltete ich die Fotoleuchte aus. Die Sonnenstrahlen fielen wie Scheinwerfer durch die Ritzen zwischen den Brettern und unsere Augen gewöhnten sich bald an das Dämmerlicht. Das gesamte Geschoss war ein
einziger großer Raum mit hoher Decke, der nur durch ein paar massive, viereckige Säulen unterteilt war. Da, wo einmal Schaufenster gewesen waren, versperrten jetzt rohe Holzlatten den Blick nach draußen.
    »Irgendjemand war vor Kurzem hier«, sagte Jen.
    »Wie kommst du darauf?«
    Sie schabte mit der Schuhspitze über den Betonboden.
    »Kein Staub.«
    Sie hatte recht. Im Sonnenlicht waren kein flirrenden Staubpartikel zu sehen. Der Boden musste erst kürzlich gefegt worden sein. Ich scrollte durch die Nummernliste in meinem Handy und rief noch einmal bei Mandy an. Ein paar Sekunden später ertönte in einer entfernten Ecke des Raums der vertraute Refrain des mehrfach mit Platin ausgezeichneten Hits. Als wir zögernd darauf zugingen, bemerkte ich, dass an der Wand, vor der das blinkende Handy lag, Dutzende Reihen von weißen Kartons aufgestapelt waren. Irgendjemand nutzte das Gebäude offensichtlich als Lager.
    Jen kniete sich hin, hob das Handy auf und sah sich nach allen Seiten um.
    »Sonst scheint nichts von ihr hier zu sein. Hat Mandy normalerweise eine Tasche dabei?«
    »Nein, bloß ihr Klemmbrett. Aber würden die Diebe das behalten, wenn sie überfallen worden wäre?«
    »Vielleicht haben sie ihr Handy nur hier reingeworfen, damit sie nicht die Polizei rufen konnte?«
    »Vielleicht …« Ich beendete den Satz nicht.
    Meine Hand streckte sich wie von selbst nach den aufgestapelten Kartons aus, als folge sie einem natürlichen Instinkt. Der Anblick der etwa dreizehn Zentimeter hohen Schachteln
war mir so vertraut, dass ich im ersten Moment gar nicht erkannt hatte, worum es sich handelte.
    Schuhkartons.
    Ich nahm einen von dem Stapel, hob den Deckel ab, atmete den Geruch nach Neuwagen ein, den Synthetikmaterial immer verströmt, hörte das Knistern von Papier und ertastete Kunststoff, Gummi und Schnur. Vorsichtig nahm ich die Schuhe heraus und stellte sie an einer von Sonnenstrahlen beschienenen Stelle auf den Boden.
    Jen stieß einen leisen Pfiff aus, während ich einen Schritt zurücktrat und wie geblendet blinzelte. Das Design, das Obermaterial, die Schnürsenkel, die Zunge, das Profil der Sohle … Keiner von uns sagte ein Wort, aber wir wussten beide sofort:
    Es waren die coolsten Schuhe, die wir jemals gesehen hatten.

Kapitel
SECHS
    Antoine hat mir oft von der Evolution des Sportschuhs erzählt:
    In den späten Achzigerjahren, als alles begann, wurde der Klient zum größten Player auf dem Markt. Ein bekannter Basketballspieler (dessen Name praktisch selbst zur Marke wurde) machte ihn zum König und transformierte damit eine ganze Branche. Bald wuchsen den Sportschuhen Luftkissen, Klettverschlüsse, Gelkammern und blinkende LEDs. Waren anfangs jede Saison neue Modelle herausgekommen, wurden sie nach einiger Zeit monatlich auf den Markt gebracht, und Antoine ging irgendwann dazu über, sich jeweils zwei Paare zu kaufen – das eine, um es anzuziehen, das andere für seine Sammlung. Comicsammler lassen die Heftchen ja auch in ihrer Plastikhülle.
    Natürlich platzte die Blase irgendwann. Die Leute wollten Schuhe, keine Raumschiffe. Innovatoren begannen, kleinere Sportgeschäfte nach den schlichten Turnschuhmodellen ihrer Kindheit zu durchkämmen. Trendsetter forderten ganz neue Kategorien von Sneakers: spezielle Schuhe zum Skaten, zum Snowboarden, zum Surfen, Laufen, Joggen und für jede andere denkbare Sportart (wahrscheinlich gibt es sogar Fallschirmspringersneakers). Und um den Sekretärinnen das Leben einfacher
zu machen,

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