Cool Hunter
einsetzen.«
Kapitel
ELF
Vor der Polizeidienststelle:
»Und jetzt?«
»Jetzt bleibt uns nur eins übrig. Wir müssen noch mal zurück. «
»Scheiße.«
Vorsichtig näherten wir uns von der Lispenard aus dem leer stehenden Gebäude. Wie Soldaten im Häuserkampf huschten wir von einer Deckung zur nächsten – duckten uns hinter von Fliegen umschwirrten Müllsackbergen, pressten uns an die uns nur notdürftig verbergende Glaswand einer Telefonzelle und kauerten uns in Treppenaufgänge und Einfahrten. Wir nahmen jedes Versteck, das wir kriegen konnten.
Soll ich ehrlich sein? Es machte Spaß.
Bis wir sie entdeckten.
Die Sperrholztür stand sperrangelweit offen, das Vorhängeschloss baumelte an seiner Kette. Davor stand ein Miettransporter, der die halbe Straße blockierte und auf dessen hydraulischer Ladeklappe gerade ein Turm aus Schuhkartons nach oben surrte.
»Die ziehen um«, zischte Jen.
Wir pirschten uns etwas näher heran und versteckten uns
hinter der Laderampe eines Nachbargebäudes, wo wir uns an dem in der Mittagshitze glühenden Metall Brandblasen an den Fingerspitzen holten.
»Glatzkopf an der Tür«, raunte Jen in abgehackter Funkersprache.
»Ich sehe noch einen Typen und eine Frau.«
»Roger.«
»Woher weißt du, dass er Roger heißt?«
»Was?«
Touristen schlenderten an uns vorbei und warfen uns verwunderte Blicke zu.
Hatten die noch nie eine Beschattungsaktion miterlebt, oder was?
Unser glatzköpfiger Freund überwachte den Fortschritt der Arbeiten mit der trägen Gleichgültigkeit eines Vorarbeiters, während die Frau damit beschäftigt war, am Straßenrand Kartons zu stapeln. Ihr Klamottenstil wäre von Fashionfreaks als »future sarcastic« bezeichnet worden: Sie hatte ein mit einem großäugigen Alien bedrucktes T-Shirt an und eine Fliegerhose mit etlichen aufgenähten Utensilien-Taschen. Ihre Haare glänzten metallic-silbern in der Sonne. Fehlte nur noch der Raketenrucksack.
Der Typ, der auf der hydraulischen Plattform stand, war schlank und muskulös und sehr schwarz. Er trug eine Truckerkappe, Cowboystiefel, Jeans und ein Netz-T-Shirt, das seine Muskeln zeigte. In einem freundlicheren Kontext hätte ich ihn für einen schwulen Bodybuilder gehalten, der aus einem ironischen Modestatement heraus einen auf Proll macht. In Verbindung mit den beiden anderen sah er allerdings eher aus wie ein hoffnungsvoller Jungschauspieler, den eine Castingagentur
zum Vorsprechen für die Rolle des Schurken Nr. 3 in einem coolen neuen Thriller geschickt hatte – einem Thriller, in dem Jen und ich die untauglichen Helden spielten.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte ich und wich dem neugierigen Blick einer jungen Mutter aus, die ihren extrabreiten Zwillings-Kinderwagen an uns vorbeimanövrierte.
Jen zückte ihr Handy und tippte etwas ein. »Ich notiere sicherheitshalber mal das Kennzeichen von dem Transporter.«
»Der ist aber gemietet.«
»Und Mietwagenfirmen notieren sich die Personalien ihrer Kunden.«
»Oh, stimmt.« Wenn ich mehr Krimis über Schuhberater, die Verbrechen aufklären, gelesen hätte, wäre ich da wahrscheinlich auch selbst draufgekommen.
»Und du könntest in der Zwischenzeit Fotos machen.«
»Gute Idee. Roger , meine ich.«
Ich zog Mandys Handy aus der Tasche und begann zu knipsen, obwohl ich mir sicher war, dass die Bilder ziemlich verwackelt und wahrscheinlich unbrauchbar sein würden. Aber das war immer noch besser, als untätig abzuwarten und sich von den Passanten anstarren zu lassen.
»Sorry, kannst du uns vielleicht weiterhelfen? Wir müssen zum Broadway, Ecke 98. Straße. Ist das in der Nähe?«
Ich sah aus der Hocke zu den beiden Mädchen auf, die Glitzershirts, Floppys und weiße Caprihosen trugen, ganz schlimm nach letzter Sommersaison aussahen und unübersehbar aus irgendeiner Kleinstadt in Jersey stammten. Allein schon aus Mitleid musste ich ihnen weiterhelfen, außerdem wollte ich, dass sie möglichst schnell weitergingen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.
»Ihr müsst ungefähr zwei Blocks in die Richtung …«, ich zeigte mit dem Daumen hinter mich, »… und dann ungefähr noch hundertzehn Blocks Richtung Norden.«
»Hundertzehn Blocks? Das ist aber ganz schön weit, oder?«
Ich beschrieb ihnen den Weg zur nächsten U-Bahn-Station.
»Imponiert mir, wenn junge Leute sich für das Wohl ihrer Mitbürger einsetzen«, sagte Jen, nachdem die beiden weitergegangen waren und – sobald sie sich außer Hörweite glaubten –
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