Cool Hunter
unsicher noch mal die Richtungsangaben besprachen, die ich ihnen gegeben hatte.
»Seit wann sind weiße Hosen noch mal verboten?«, fragte ich Jen.
»Ungefähr seit 1979.«
Ich zeigte auf das Gebäude. »Die fahren gleich los.«
Der Transporter war fertig beladen und der Glatzkopf befestigte gerade wieder die Kette mit dem Vorhängeschloss vor den Sperrholzplatten. Gleich würden die Schuhe unwiederbringlich verschwunden sein. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, dem Wagen hinterherzujagen, aufzuspringen und mich festzuklammern, bis diese Schurken ihr Piratennest erreicht hatten. Dort würde ich einen ihrer Wachleute niederschlagen, seine Uniform anziehen und nach ein paar Faustkämpfen und nur um Haaresbreite geglückten Fluchtaktionen den Schalter umlegen, der dafür sorgte, dass ihr Hauptquartier in die Luft flog. Aber dann wurde mir klar, warum Verbrechen niemals von Amateuren aufgeklärt wurden.
»Wir können nichts tun, oder?«
»Gar nichts«, sagte Jen, als der Transporter davonfuhr.
Das Erdgeschoss war komplett leer geräumt.
»So eine Scheiße«, stöhnte ich.
Der Glatzkopf hatte die beiden Bretter so nachlässig zusammengekettet, dass der Spalt breit genug gewesen war, um uns hindurchzuschieben. Aber das nützte uns auch nichts. Es war kein einziger Schuhkarton mehr da.
Ich warf einen Blick auf die Uhr in Mandys Handy. Mittlerweile war es nach drei und damit fast drei Stunden her, seit wir das erste Mal hier gewesen waren. Jen sah sich in dem leeren Raum um und scannte jeden Zentimeter: nichts als nackter, sauber gefegter Beton.
»Wir hätten früher wiederkommen sollen«, sagte sie leise. »Die Schuhe standen genau hier .«
»Wenn ich dich vielleicht daran erinnern darf – wir sind vorhin um unser Leben gerannt!«
»Ach was, du neigst zur Übertreibung.« Jen seufzte. »Irgendetwas müssen wir übersehen haben.«
Sie schritt langsam den Raum ab, während ich in einem durch den Bretterspalt hereinfallenden Flecken Sonnenlicht stehen blieb und im Stillen die Gründe auflistete, warum Amateurcops im wahren Leben keine Verbrechen aufklären. Punkt eins: Echte Polizisten hätten das Gebäude sofort mit gelbem Absperrband gesichert, den gesamten Raum nach Fingerabdrücken abgesucht und den Hausbesitzer ausfindig gemacht. Punkt zwei: Echte Polizisten hätten den schwarzen Bodybuilder direkt einkassiert und ihn mit ihren Profi-Verhörmethoden zu einem lückenlosen Geständnis gebracht. Punkt drei: Echte Polizisten hätten sich garantiert nicht ins nächste Café gesetzt und sich anschließend Hilfe suchend an eine Freundin gewandt, um sich erklären zu lassen, wozu Pergamentpapier
gut sein kann. (Okay, das Café hätte vielleicht schon eine Rolle gespielt, aber nur, weil der Praktikant dort Donuts besorgt hätte, während die übrigen alles mit gelbem Absperrband gesichert hätten.) Punkt vier: Ein echter Profi hätte gewusst, wie man anhand des Kennzeichens eines Mietwagens die Adresse des Fahrers herausfindet. Punkt fünf – ein ganz entscheidender Punkt: Echte Ermittler würden nicht in Panik geraten, bloß weil die Schurken ihr Handy haben und hinter ihnen her sind. Und schließlich Punkt sechs: Echte Verbrechensaufklärer waren Maschinen, die Kaffee in aufgeklärte Kriminalfälle umwandelten. Ich war eine Maschine, die Kaffee in nervöse Zuckungen umwandelte.
»Hunter?«, hörte ich plötzlich Jens Stimme herüberhallen und fuhr zusammen.
»Was?«
»Sieht aus, als hätte dir jemand eine Nachricht hinterlassen. «
Sie trat aus dem Dunkel in den sonnenbeschienenen Lichtkegel und hielt mir blinzelnd einen Briefumschlag hin, auf den jemand mit rotem Marker HUNTER geschrieben hatte und an dem noch ein Fetzen graues Klebeband hing.
»Der klebte da hinten an der Wand. Genau an der Stelle, wo die Schuhe standen.« Sie sah mich mit erwartungsvoll geweiteten Augen an.
Ich schluckte und streckte die Hand danach aus. Ich hatte schön öfter Notizen gesehen, die Mandy sich während unserer Treffen gemacht hatte; ihre Handschrift neigte sich hektisch und unleserlich nach rechts. Mein Name auf dem Umschlag erstreckte sich in makellosen großen Druckbuchstaben von einem Rand zum anderen.
»Willst du ihn nicht aufmachen?«
Ich holte tief Luft und riss den Umschlag zögernd auf, obwohl ich selbst nicht wusste, wovor ich Angst hatte. Dass er eine Bombe enthielt? Ein Kontaktgift? Eine Todesanzeige mit meinem Namen?
Es waren zwei Einladungskarten.
Ich starrte wie betäubt auf die beiden Karten, bis Jen
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