Cool Hunter
mir den beiliegenden Brief aus der Hand nahm und laut vorlas.
» ›Ihr seid herzlich zur Launch-Party von Hoi Aristoi eingeladen – dem Magazin für Menschen mit Geld und Geschmack‹ . Hm. Hey, guck mal aufs Datum! Die Party ist schon heute Abend.«
Ich räusperte mich. »Aber das ist nicht Mandys Handschrift. «
»Das hab ich mir gedacht.«
»Die wissen, wie ich heiße.«
»Klar wissen die das. Irgendjemand, den die von deinem Handy aus angerufen haben, hat aufs Display geschaut und sich mit ›Hallo, Hunter‹ gemeldet. Und dann haben sie mit ihrem eigenen Handy bei der nächsten Nummer angerufen und sich mit ›Hallo, ich bin ein Freund von Hunter‹ vorgestellt und vielleicht nach deiner Festnetznummer gefragt.«
Ich nickte. Stück für Stück würde meine Identität aus dem Handy gesogen werden. Diese Finnen hatten mit ihrem Design einen so genialen Wurf gelandet, dass ihr Produkt zum Mittelpunkt meines Lebens geworden war, zum Bersten gefüllt mit den Namen und Telefonnummern meiner Freunde, meiner gesamten Musiksammlung und einem Foto meiner Sockenschublade.
Ich wedelte mit den Tickets. »Und was ist das?«
»Keine Ahnung. Hast du schon mal was von Hoi Aristoi gehört?«
Mein Gehirn spuckte eine vage Erinnerung an Gesprächsfetzen aus, die ich vor Kurzem aufgeschnappt hatte. »Ich glaub, das ist so ein neues Magazin für trendige Jungmenschen mit zu viel Geld, für das mal wieder unnötig Bäume sterben müssen. Und wenn mich nicht alles täuscht, hat Vivienne Von-und-Zu an der PR-Kampagne mitgearbeitet.«
Jen nahm mir die Karten aus der Hand, drehte sie hin und her und nickte.
»Ich würde sagen, das hier ist exakt das, was draufsteht.«
»Nämlich?«
»Einladungskarten. Und ich denke, wir sollten hingehen.«
Kapitel
ZWÖLF
»Hingehen?«
»Wir haben keine andere Wahl, Hunter.«
Ich starrte sie entgeistert an.
»Denk doch mal nach. Die wissen jetzt, wie du heißt, und wenn sie sich noch ein bisschen mehr ins Zeug legen, finden sie mit Sicherheit noch viel mehr über dich raus.«
»Du weißt wirklich, wie man Menschen Mut zuspricht.« »Aber die Einladungskarten sind der Beweis dafür, dass sie noch gar nicht versucht haben, mehr über dich in Erfahrung zu bringen. Die wollen nämlich vor allem wissen, wie weit du gehen wirst, um sie zu finden.«
»Wovon redest du?«
Jen zog mich tiefer in die verlassene Lagerhalle hinein und zeigte in eine Ecke, in der meine noch nicht auf Nachtmodus justierten Augen kaum etwas erkennen konnten.
»Die haben den Umschlag genau an die Stelle geklebt, wo vorhin noch die Kartons standen, weil sie damit gerechnet haben, dass du zurückkommst, um nach Mandy zu suchen und dir die Schuhe noch mal anzusehen. Deswegen haben sie dir eine Nachricht hinterlassen, die übersetzt nichts anderes heißt als: ›Wenn du mehr wissen willst, dann komm heute Abend‹ .«
»Womit ich denen auch gleich die Mühe ersparen würde, selbst nach mir zu suchen.«
Jen nickte. »Clever von ihnen. Und gut für uns. Es gibt keine bessere Möglichkeit, um herauszufinden, wer sie sind.«
»Es gibt keine bessere Möglichkeit, um bald als vermisst gemeldet zu werden – genau wie Mandy.«
Jen verschränkte die Arme und starrte an die Wand. »Stimmt. Das wäre natürlich scheiße. Das heißt, wir müssen uns was ausdenken, womit sie nicht rechnen.«
»Wie wär’s, wenn wir gar nicht erst hingehen? Ich wette, damit rechnen sie nicht.«
»Oder …« Jen sah mich nachdenklich an und strich mir eine meiner langen Haarsträhnen aus der Stirn. Als sie meine Wange berührte, spürte ich meinen eigenen Herzschlag unter ihren Fingerspitzen.
»Der Typ hat dich doch nur ein paar Sekunden gesehen«, sagte sie. »Meinst du, der würde dich wiedererkennen?«
Ich versuchte zu ignorieren, was Jens Berührung in meinem Inneren anrichtete. »Und ob ich das meine. Haben wir nicht eben erst gelernt, dass Menschen Maschinen sind, die Kaffee in Gesichtserkennung umwandeln?«
»Okay, aber es war verdammt dunkel hier drin.«
»Er hat uns auch oben im Sonnenlicht gesehen.«
»Aber da war er geblendet und du hattest noch nicht deinen neuen Haarschnitt.«
»Meinen neuen wa s?«
»Auf den Einladungen steht ›Dress for Success‹ . Ich wette, in einem Smoking würdest du total anders aussehen.«
»Ich wette, mit eingeschlagener Fresse würde ich auch total anders aussehen.«
»Ach komm, Hunter. Hast du keine Lust auf ein kleines Vorher-Nachher-Spiel?« Jens Finger zogen die Konturen meiner
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