Cool Hunter
überlegt.«
»Ehrlich gesagt, mache ich mir ein bisschen Sorgen. Sie war nicht da, aber dafür haben wir ihr Handy gefunden. Sie ist spurlos verschwunden, und jetzt fragen wir uns, worum es bei der ganzen Sache eigentlich geht. Die Sache mit den Schuhen, meine ich.«
»Zu den Schuhen kann ich Ihnen nichts sagen. Wir stellen viele Schuhe her. Schuhe sind unser Geschäft. Offen gestanden weiß ich auch gar nicht, von welchen Schuhen Sie eigentlich sprechen.«
»Hören Sie, Mr Harper, ich habe sie gesehen …«
» Wovon reden Sie? Sagen Sie Mandy, dass sie mich anrufen soll.«
»Aber ich weiß nicht, wo sie …«
»Mandy soll mich anrufen.«
Die Verbindung wurde beendet. Keine Warteschleifenmusik, kein gar nichts. Während des Gesprächs hatten Jen and Lexa aufgehört, mit dem Foto von dem Schuh herumzuspielen, und mir stattdessen zugehört.
»Was war denn?«, fragte Jen, als ich das Handy sinken ließ.
Seit ich als Cool Hunter arbeitete, hatte ich schon oft Momente der Verzweiflung bei meinen Klienten erlebt – hervorgerufen durch verlorene Marktanteile, sinkende Aktienwerte, Multimillionen-Dollar-Verträge mit Nachwuchsbasketballspielern, die in der Profiliga nicht das lieferten, was man sich von ihnen versprochen hatte, oder schlicht durch die erschütternde Erkenntnis, dass kein Mensch in der Firma wusste, was diese verdammten Kids eigentlich wollten –, aber noch nie eine solche Panik, wie ich sie eben aus Greg Harpers letztem Satz herausgehört hatte.
»Ich glaube, der Klient verdrängt es im Moment noch«, sagte ich. »Aber eins ist sicher: Der Schuh stammt nicht von ihm.«
»Von wem dann?«, fragte Lexa.
Ich sah Jen an. Sie sah mich an.
Wir zuckten mit den Schultern.
Kapitel
ZEHN
Alles hat einen Anfang.
Eine simple Tatsache, die einem als Cool Hunter ziemlich schnell klar wird.
Es gibt nichts, das es immer schon gab. Hinter allem steht ein Innovator.
Jeder weiß, wer das Telefon und die Glühbirne erfunden hat, aber die bescheideneren Erfindungen werden anonym gemacht. Es gab ein erstes Papierflugzeug, eine erste abgeschnittene Jeans, eine erste Kette aus Büroklammern. Und wenn man noch weiter in der Zeit zurückreist, gab es einen ersten Rückenkratzer, ein erstes Geburtstagsgeschenk und ein erstes Erdloch, das zum Mülleimer erklärt wurde.
Sobald sich eine gute Idee erst einmal durchgesetzt hat, kann man sich kaum mehr vorstellen, dass sie nicht schon immer existiert haben soll.
Nehmen wir zum Beispiel den Kriminalroman. Der allererste Krimi wurde von Edgar Allan Poe im Jahr 1841 geschrieben. (Spoiler-Warnung: Es war der Affe.) Im Laufe der darauffolgenden hundertneunundsechzig Jahre infizierte Poe mit seiner Erfindung die Schöpfer zahlloser Bücher, Filme, Theaterstücke, Computerspiele und TV-Serien. Und wie die meisten aggressiven Viren bildete auch der Charakter des Detektivs
mit der Zeit alle nur vorstellbaren Mutationen aus: von kleinen alten Damen, die Verbrechen aufklärten, mittelalterlichen Mönchen, die Verbrechen aufklärten, und Katzen, die Verbrechen aufklärten, bis hin zu Verbrechern, die Verbrechen aufklärten.
Mein Vater hat jahrelang Krimis verschlungen (ich gehe mal davon aus, dass sie von Epidemiologen handelten, die Verbrechen aufklärten), bis er eines Tages ein Interview mit einem echten Kommissar der Kripo von Los Angeles las. Der Typ hatte über vierzig Jahre bei der Kriminalpolizei gearbeitet, und während dieser ganzen Zeit war ihm kein einziger Fall untergekommen, der von einem Amateurdetektiv aufgeklärt worden wäre.
Nicht ein einziger.
Eingedenk dieser Tatsache machten wir uns mit Mandys Handy auf den Weg zur nächsten Polizeidienststelle.
»Beziehung zur vermissten Person?«
»Äh, Arbeitskollegin. Also, sie verschafft mir meine Aufträge. «
»Und für wen arbeitest du, Hunter?«
»Für niemanden bestimmten. Ich bin … Berater. Schuhberater. Hauptsächlich Schuhe.«
Detective Machal Johnson musterte mich von oben bis unten. »Schuhberater? Lässt sich damit Geld verdienen?«
»Ich werde hauptsächlich in Form von Schuhen bezahlt.«
Eine Augenbraue wanderte langsam immer höher. »Okay. Schuhberater«, murmelte er und tippte schläfrig in seinen Computer. Ich hätte die Buchstaben schneller in mein Handy eingeben können (wenn ich noch eins gehabt hätte).
Johnsons prähistorischer Computer war anscheinend genauso lahm wie sein Besitzer. Der Bildschirm war durch und durch grün – die Buchstaben sahen aus wie Glühwürmchen, die in
Weitere Kostenlose Bücher