Cool Hunter
fremde Länder reiste, Tiere erschoss und die Kadaver zurückbrachte, um sie auszustopfen. Was natürlich unbestreitbar auch eine Methode ist, die Vielfalt der Tierwelt zu »bewahren«. In der Mitte des Saals marschierte eine Familie riesiger, ausgestopfter Elefanten stumpfsinnig hintereinander her. In den Dioramen entlang der Wände standen Zebras, Gorillas und Impalas vor malerisch in Szene gesetzten afrikanischen Landschaften und starrten uns mit großen Glasaugen konsterniert an, als wären sie leicht verstimmt darüber, dass niemand sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass heute Abendgarderobe erwünscht war.
Die Gäste bewegten sich langsam in kleinen Grüppchen im Uhrzeigersinn um die Elefantenherde herum. Wie es sich für ein Event in Manhattan gehörte, kam die Party erst jetzt – zwei Stunden nach ihrem offiziellen Beginn – langsam in Gang und alle griffen sich ihre ersten Drinks von den Tabletts. Dass die Leute ständig in Bewegung waren, verschaffte mir die Möglichkeit, unauffällig die Lage zu peilen und nach der verkleideten
Jen beziehungsweise nach Vertretern des Anti-Klienten Ausschau zu halten.
Ich war nervös. Das Preisschildchen am Jackett piekste mich unangenehm in den Nacken. Außerdem zuckte ich jedes Mal zusammen, wenn ich den wasserstoffblonden Fremden in einer der Glasscheiben sah, die mich von der afrikanischen Steppe trennten. Und immer wenn ich ein Mädchen entdeckte, das Jens Größe hatte, wollten sich meine Beine automatisch in Bewegung setzen. Aber falls sie sich nicht einer kompletten Gesichtsoperation unterzogen hatte, war sie nicht hier. Natürlich erstarrte ich jedes Mal, wenn ich im Augenwinkel jemanden mit Glatze sah, und rechnete ständig damit, dass sich eine Hand schwer auf meine Schulter legen und mich in eine dunkle Ecke des Museums führen würde. So nervös und hyperangespannt, wie ich mich durch den Raum bewegte, hätte man meinen können, die Löwen in ihrem Diorama wären noch lebendig und würden mich mit lauernden Blicken verfolgen.
Um mich zu beruhigen, tat ich das, was jedem Cool Hunter zur zweiten Natur geworden ist: Ich studierte die Menschen um mich herum.
Die Zielgruppe von Hoi Aristoi war jung und wohlhabend, die Art von Menschen, deren Lebensaufgabe darin besteht, auf Partys wie diese zu gehen. Ihr kennt sie. Ihre Namen stehen fett gedruckt im Gesellschaftsteil der Zeitungen – vermutlich um sie daran zu erinnern, was sie letzte Woche getan haben. Sie waren hier, um das Netzwerk ihrer gesellschaftlichen Beziehungen enger zu knüpfen und sich auf jenen Tag vorzubereiten, an dem ihr Treuhandvermögen als Erbschaft endgültig auf sie übergehen würde und sie ihren Platz in den Freundeskreisen der diversen Museen, Philharmonien und Opernhäuser
einnehmen und auf noch mehr Partys gehen konnten. Hier und da blitzte eine Kamera auf, um Futter für die Klatschspalten der Sonntagszeitungen und die letzten Seiten der Boulevardmagazine zu schießen. Offenbar hatten die Macher von Hoi Aristoi tatsächlich einen aristokratischen Hintergrund. Zeitschriftenmacher, die die Möglichkeit bekamen, für ihre Launch-Party gleich ein ganzes Museum anzumieten, mussten Leute mit gewichtigem gesellschaftlichen Einfluss im Rücken haben.
Ich fragte mich, ob unter den hier versammelten Mitgliedern des Geldadels auch nur einer war, der Hoi Aristoi tatsächlich lesen würde. Würde es darin eine Ratgeberkolumne für den alleinstehenden Alleinerben geben? Beiträge über Badezimmereinrichtungen für Bulimikerinnen?
Nicht dass es auf den Inhalt ankam. Zeitschriften sind in Wirklichkeit nichts weiter als Verpackungsmaterial für Anzeigen, und die Agenturen standen sicher schon Schlange, um sich in Hoi Aristoi Doppelseiten zu sichern, auf denen sie Herrenhäuser in den Hamptons, Aufenthalte in luxuriösen Sucht-und Schönheitskliniken und die Produkte von einem Dutzend Modelabels, die ich nicht namentlich nennen werde, bewerben konnten. Und auf jeden echten aristokratischen Leser kamen hundert Möchtegern-Geldadlige – bemitleidenswerte Kreaturen, die sich die beworbene Handtasche oder Armbanduhr kauften, weil sie hofften, damit automatisch das Zugangsrecht zu dem von ihnen so bewunderten elitären Zirkel zu erwerben.
Wieso hatte ich eigentlich eine solche Abneigung gegen diese Kaste? Es war nicht so, als hätte ich etwas gegen gesellschaftliche Hierarchien – mein Job hing schließlich davon ab.
Jede coole Community – von den Hartplatz-Basketballspielern bis hin zur
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