Cool Hunter
ihr?«
»Sämtliche Namen der Leute, die für die Abonnentenliste von Hoi Aristoi bezahlt haben«, sagte ich.
»Die Adressenliste? In Ordnung, dazu muss ich ein paar Anrufe machen.« Sie beugte sich vor, zog den Strohhalm aus ihrem leeren Glas und zeigte damit drohend auf mich wie mit einem Dolch. »Aber dieses Mal hältst du mich besser auf dem Laufenden, Hunter. Oder du wachst eines Morgens mit etwas Schlimmerem als roten Haaren auf.«
Kapitel
ACHTUNDZWANZIG
In unserem Lieblingscafé warteten wir auf den Anruf aus der Fifth Avenue und lehnten uns, Schulter an Schulter, in das speckige Polster unserer Couch zurück. Ein großartiger Moment. Eigentlich.
»Was ist los?«
Ich schaute auf meine purpurfarbenen Hände. »Vivienne hat recht. Ich hätte die Leute gestern Abend warnen sollen, nachdem ich herausgefunden hatte, dass das Shampoo in Wirklichkeit ein Färbemittel ist. Die Party war eine einzige Falle, und wir haben einfach zugeschaut, wie sie alle fröhlich hineingetappt sind.«
Jen schmiegte sich tröstend an mich. »Hey, wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, nicht geschnappt zu werden. Für uns ging es wirklich ums Ganze – nicht bloß darum, purpurrot eingefärbt oder volltrunken fotografiert zu werden. Du bist immerhin um dein Leben gerannt, oder etwa nicht?«
»Zum zweiten Mal an einem Tag. Trotzdem … ich hätte Vivienne warnen sollen.«
»Du hast ein schlechtes Gewissen, weil Viviennes Divenhaupt vorübergehend purpurrot ist? Dann sag ich dir jetzt mal
was, Hunter: Sie wird es überleben. Wir sind auf diese Party gegangen, um einen Entführungsfall aufzuklären, nicht um eine Horde verwöhnter Bonzenkinder vor einer Farbattacke zu bewahren.«
Ich rückte ein Stück von ihr ab, um sie besser ansehen zu können. Ein winziges Lächeln umspielte ihre Lippen. »Du findest sie irgendwie gut, oder?«, sagte ich. Sie wusste sofort, von wem ich sprach.
»Ich würde nicht gerade behaupten, dass ich sie gut finde.« Sie schlug seufzend die Beine übereinander. »Sie sind möglicherweise gefährlich und um Mandy mache ich mir wirklich Sorgen. Außerdem will ich auf keinen Fall von ihnen geschnappt werden.«
»Aber …?«
»Aber ich mag ihren Stil.« Sie lächelte. »Du etwa nicht?«
Ich öffnete den Mund, dann schloss ich ihn wieder. Es stimmte: Die Leute, die hinter dem Anti-Klienten standen, hatten Stil. Sie waren cool, und zwar auf eine ganz einzigartige neue Art, wie ich sie bis dahin nicht gekannt hatte. Ich hatte Jahre damit verbracht, zu beobachten, wie Innovatoren die Welt veränderten, und dieser Vorgang lief immer indirekt ab, manipulativ, von Cool Huntern, Trendsettern und Megakonzernen gefiltert, während die Innovatoren selbst stets unsichtbar blieben. Es war wie bei einer Epidemie: »Patient Null« war der Typ, der immer am schwierigsten aufzutreiben war. Deswegen faszinierte es mich, zu sehen, wie ein Innovator alles in Eigenregie auf die Beine stellte. Der Anti-Klient drehte eigene Werbespots, veranstaltete Launchpartys, schuf seine eigene bizarre Marketingkampagne.
Ich war gespannt, was er als Nächstes für uns bereithielt.
»Doch, schon«, gab ich zu. »Aber was wollen sie?«
»Auf lange Sicht?« Jen trank einen Schluck Kaffee. »Ich glaube, dass du mit deiner Pflasterstein-Theorie recht hattest.«
»Sie wollen mit Steinen werfen?«
»Nein. Na ja, vielleicht werfen sie hier und da ein paar. Aber ich glaube, dass es ihnen vor allem darum geht, den Mörtel zu lockern, der die Pflastersteine im Boden hält.«
Ich runzelte die Stirn; Jens verwinkelte Denke löste in meinem Gehirn Paka-Paka-Kopfschmerzen aus. »Könntest du die Metapher vielleicht ein bisschen präzisieren?«
Jen nahm meine Hand. »Du weißt doch, was ich mit Mörtel meine. Alles, was Einfluss darauf hat, wie die Menschen denken, wie sie die Welt sehen.«
»Werbung?«
»Auch, aber ich spreche mehr von dem kompletten System: Marketingkategorien, Stammeszugehörigkeit, die ganzen unterschiedlichen Gruppierungen, in die Menschen einsortiert werden. Oder aussortiert.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Für die Nullnummer von Hoi Aristoi haben sie sich ein ziemlich einfaches Angriffsziel gesucht. Und was ist überhaupt die Botschaft, die dahinterstehen soll? Dass verwöhnte, reiche Kids lächerlich sind? Nicht gerade ein revolutionäres Konzept.«
»Heißt das, dass du Vivienne Von-und-Zu erzählen willst, was wir bei Movable Hype entdeckt haben? Mit den Kontakten, die sie hat, könnte sie die
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