Cool Hunter
hastig. Ich mag dich, aber noch kennen wir uns kaum. Vielleicht weiß ich ja nicht mal, wovon du überhaupt sprichst.«
Jen lächelte verlegen, aber auch geschmeichelt.
Bis Mwadi fortfuhr: »Die Frage ist jetzt, was machen wir mit euch?«
Ich tauschte einen kurzen Blick mit Jen. Die gleiche Frage hatte ich mir auch schon gestellt.
»Tja, also, der Klient würde sicher wollen, dass ihr uns gehen lasst«, behauptete ich und schaute zu Mandy rüber.
Sie betrachtete mich schweigend und trommelte immer noch leicht genervt mit den Fingern auf der Tischplatte. Ich schluckte, als mir einfiel, dass der Klient im »Schwarzbuch Markenfirmen« unter anderem der Kinderarbeit bezichtigt wurde …
Mwadi räusperte sich. »Unser Deal ist so gut wie besiegelt und im Vertrag steht nichts von einem Hunter Braque. Oder von dir, Honey. Wie heißt du eigentlich?«
»Jen James.«
Seltsam, dass mir erst in diesem – eher unpassenden – Moment auffiel, dass ich bisher gar nicht gewusst hatte, wie Jen mit Nachnamen hieß. Aber wie gesagt, die Dinge entwickelten sich in einem derart rasanten Tempo, dass ich nicht mehr hinterherkam.
»Okay, Jen James, könnte sein, dass wir Arbeit für euch haben. «
»Arbeit?«, fragte ich misstrauisch.
Mwadi nickte. »Wir haben noch ein paar andere Eisen im
Feuer, und jetzt, wo wir die nötige Kohle dafür haben, können wir diese Projekte auch umsetzen. Ihr beiden kennt euch aus, sonst würdet ihr jetzt nicht hier sitzen.«
»Wo sollen wir uns auskennen?« Im Moment wusste ich noch nicht einmal, auf welchem Planeten wir uns eigentlich befanden.
Mwadi stand auf und richtete sich zu ihrer vollen Rollerskategröße auf. Sie drehte sich einmal im Kreis, was mich an Hiro erinnerte, aber ihre Umdrehung war ungleich anmutiger und kraftvoller als Hiros energiegeladene, nervöse Pirouetten. Langsam und geschmeidig wie ein Schwan mit Rückenwind begann sie unseren Tisch zu umkreisen und erschuf so zwischen den vielfarbigen Scheinwerferstrahlen, durch die sie hindurchglitt, ihre ganz eigene bizarre Version der Fantasiewelt des Klienten.
»Du kennst doch die Coolness-Pyramide, Hunter, oder?«
»Klar.« Ich zeichnete sie mit zwei Fingern in die Luft. »Ganz oben die Innovatoren, darunter die Trendsetter und dann die Frühen Übernehmer. Als Letztes kommen die Konsumenten und als Allerletztes die Stehengebliebenen, die wie nicht benötigtes Baumaterial am Fuß der Pyramide dümpeln.«
»Stehengebliebene?« Sie stoppte abrupt und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Ihre klassischen Metallrollen schrappten wie spitze Fingernägel über den Betonboden. »Die Bezeichnung Bewahrer trifft es meiner Meinung nach viel besser. Die Leute von der Rock Steady Crew, die nach fünfundzwanzig Jahren immer noch Breakdance machen? Die sich jeden Tag auf die Pappe legen, egal ob Breaken gerade angesagt ist oder nicht? Das sind keine Stehengebliebenen.«
»Okay«, räumte ich ein. »Die von der Rock Steady Crew
sind Bewahrer. Aber Typen, die sich ihr Kiss-T-Shirt in die gestreifte Stretchröhre stopfen, sind eindeutig Stehengebliebene. «
Um Mwadis Mundwinkel zuckte ein kleines Grinsen. »Damit kann ich leben.« Sie fuhr fort, wie fließendes Magma um den Tisch zu kreisen. »Aber das Pyramidensystem ist krank, und das weißt du.«
»Ach ja?«
»Na klar, wegen der Cool Hunter«, schaltete Jen sich ein. »Und wegen der Marktanalysen, die gemacht werden, und den Fokusgruppen und dem ganzen Scheiß. Sie quetschen aus allem den letzten Tropfen Lebenssaft heraus.«
Mandy hob die Hand. »Hallo? Ich sitze direkt vor dir!«
»Aber genau so sieht’s aus«, bestätigte Mwadi. »Deine Freundin weiß, wovon sie redet, Hunter. Die alte Pyramide leidet unter dem Verkauf von Adressenlisten und Datenbanken. Ihre einzelnen Stufen sind löchrig geworden – alles Coole landet praktisch ohne Verdauungsprozess direkt beim Konsumenten.«
Das Einzige, was mein Gehirn aus diesem metaphorischen Aufguss herausfilterte, war die Tatsache, dass jemand, der nicht meine Eltern war, Jen als meine Freundin bezeichnet hatte. Ein Armutszeugnis, ich weiß.
Deswegen brachte ich auch nicht mehr als ein gefühlvoll ausgestoßenes »Klar« zustande.
»Dachte ich mir doch, dass du das genauso siehst.« Mwadi nickte. »Während wir darauf gewartet haben, dass du uns findest, haben wir uns dein altes Style-Blog durchgelesen und uns über die Rechner einiger deiner Freunde noch ein paar Extrainfos über dich gezogen. In unserer Organisation
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