Cool Hunter
während sie Jen per Handzeichen durch den Verkehr dirigierte. Ich fragte mich, welche Bestrafung uns – jetzt wo wir in Ungnade gefallen waren – am Ende dieses Trips erwarten würde.
Andererseits spürte ich auch eine tiefe innere Befriedigung: Wir hatten endlich Antworten bekommen. Die Puzzleteile hatten sich zu einem Gesamtbild zusammengefügt, das gar nicht so weit entfernt war von unseren Theorien und Paka-Paka-Erkenntnissen: Hinter allem, was passiert war, steckten tatsächlich ein paar abtrünnige Cool Hunter, eine charismatische Innovatorin und eine Bewegung, die das bestehende System ins Wanken bringen wollte. Vielleicht kannten Jen und ich uns wirklich aus.
Es war ein gutes Gefühl zu merken, dass das in meinem Hirn angesammelte scheinbar unnütze Wissen doch einen gewissen Wert hatte, dass meine Fantasiewelt zumindest gelegentlich mit der Realität übereinstimmte. Dass die viele Zeit, die ich damit verbracht hatte, all die Codes um mich herum zu entschlüsseln, nicht komplett vergeudet war.
Gut möglich, dass die Zeichen schon da gewesen waren, bevor Mandy verschwunden war – genauso real und greifbar wie das Kopfsteinpflaster in den Straßen. Die Leute fingen an, sich gegen die ständige Zwangsüberfütterung aufzulehnen, waren reif für die Revolution. Möglicherweise kanalisierten Innovatoren immer nur das, was sowieso schon in der Luft lag. Vielleicht war es eine ganz zwangsläufige Entwicklung, dass eine Gruppe wie die Spalter entstanden war.
Aber ganz egal, was in Zukunft noch passieren würde: Wenigstens war Mandy wohlauf.
Ich lehnte mich ins Polster zurück und schloss erschöpft die Augen. Im Moment gab es nichts weiter zu tun, als darauf zu warten, dass der Wagen dort ankam, wo er ankommen sollte.
»Da entlang.« Mwadi klappte ihr Handy zu.
Jen bog ab und steuerte den Wagen vorsichtig durch eine schmale Straße, die so eng war, dass die Limousine die links und rechts gestapelten prall gefüllten Mülltüten streifte. Wir fuhren auf einen schmucklosen Hof, der von baufälligen Gebäuden umgeben war, deren blinde Fenster uns wie seelenlose Augen anzustarren schienen. Vor uns parkte ein Transporter von einer Mietwagenfirma – derselbe, den wir tags zuvor auf der Lispenard Street gesehen hatten.
Zwei Gestalten standen auf der Rampe und warfen achtlos Schuhkartons auf den Boden. Als einige der Schuhe aus den Kartons in den Dreck purzelten, fiel mein Blick auf reflektierende Seitennähte.
Eine dritte Person stand neben dem wachsenden Haufen aus Pappe und Schuhen.
Und übergoss ihn mit Benzin.
»Nein!«, entfuhr es mir.
Die Limousine kam knirschend zum Stehen, eine herumliegende Flasche zersplitterte unter einem der Reifen. Mwadi sprang hinaus und glitt auf ihren Rollen über den müllübersäten Hof, als wäre er eine blank polierte Rollschuhbahn.
Jen und ich rannten zu dem Haufen aus Kartons und Turnschuhen.
»Was habt ihr vor?«
»Wir vernichten sie, so wie wir es mit dem Klienten vereinbart haben«, sagte Mwadi. »Er bekommt den Prototypen und alle notwendigen technischen Daten zur Herstellung. Wäre schließlich ein ziemlich schlechter Deal für ihn, wenn die Originale auf der Straße auftauchen würden, bevor er den Schuh auf den Markt bringen kann.«
»Ihr könnt sie unmöglich verbrennen !«, riefich. »Die müssten in einem Museum ausgestellt werden!«
Mwadi nickte wehmütig. »Müssten sie. Aber dank euch beiden ist unsere Deckung aufgeflogen, und jetzt müssen wir die Sache schnell und leider schmutzig hinter uns bringen.«
Ein entzündetes Streichholz landete auf dem Berg und der Geruch von Benzin stieg uns in die Nase.
»Nein!«, schrie ich.
Eine Hitzewelle zwang uns, zurückzuweichen, und ich konnte nur noch entsetzt zusehen, wie das Feuer sich in Sekundenschnelle ausbreitete. Die Deckel fielen von den Kartons und enthüllten ihren kostbaren Inhalt. Elegante Linien deformierten und krümmten sich inmitten züngelnder Flammen, reflektierende Seitennähte flackerten noch ein paar Sekunden lang in der Feuersbrunst, bevor sie für immer schwarz wurden. Der beißende Gestank von brennendem Kunststoff und
Leinen breitete sich aus und trieb mir die Tränen in die Augen.
Jen versuchte, irgendetwas zu rufen, aber ihre Worte gingen in einem Hustenanfall unter.
Das Feuer wurde immer gieriger und sog jeden Kubikzentimeter Luft, den es kriegen konnte, in sein infernalisch loderndes Höllenmaul. Papierfetzen wehten von der in den Himmel steigenden Rauchsäule angezogen,
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