Cool Hunter
wollte dich nur auf dem Laufenden halten.«
»Schieß los.«
»Vorher möchte ich mich aber bei dir entschuldigen, weil ich dich letzten Freitag versetzt hab.«
Ich lachte, was mir wegen der Pflastersteine in meinem Bauch ziemlich wehtat. So lautete also die stille Übereinkunft: Kein Wort über die Spalter oder die Schuhe. Mandys Wochenende als Quasi-Entführungsopfer würde unser kleines unausgesprochenes Geheimnis bleiben.
»Schon in Ordnung, Mandy. War ja nicht deine Schuld. Hauptsache, dir geht es gut.«
»Ging mir nie besser. Ich steh kurz vor meiner Beförderung. «
Ich nickte und spürte einen schmerzhaften Stich – es war genauso gekommen, wie Jen es vorausgesagt hatte.
»Aber es rührt mich total, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast. Greg hat mir erzählt, dass du angerufen hast. Cassandra übrigens auch. Eigentlich haben alle mir erzählt, wie besorgt du um mich warst. Danke, Hunter. Ich hab vielleicht ein bisschen ungehalten gewirkt, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber ich werde es dir nicht vergessen, dass du nach mir gesucht hast.«
»Kein Problem, Mandy. Die Suche nach dir hat mir ein paar … interessante Abenteuer beschert.« Die Pflastersteine stürzten rumpelnd eine Etage tiefer.
»Hab schon davon gehört. Das ist der andere Grund, aus dem ich dich anrufe.« Sie zögerte.
»Worum geht’s?«
»Na ja, es sind da ein paar Probleme entstanden, die mit diesem Wochenende zusammenhängen, die Lage muss sich erst einmal wieder beruhigen. Der Klient möchte auf keinen
Fall mit den Ereignissen in Verbindung gebracht werden, die sich auf einer ganz bestimmten Launchparty zugetragen haben. Einige einflussreiche Leute sind sehr verärgert und wir müssen natürlich die Unternehmensinteressen wahren.«
»Oh.« Mein Gehirn übersetzte den Subtext langsam, dafür aber umso deutlicher: Der Klient wollte nicht, dass die einflussreichen Purpurnen von seinem Deal mit den Spaltern erfuhren. Die einflussreichen Purpurnen waren nämlich stinksauer und würden es noch eine Weile bleiben. »Und was genau bedeutet das, Mandy?«
»Das bedeutet, dass ich dir keine Jobs mehr vermitteln kann. Zumindest nicht in nächster Zeit.«
»Aha.«
Jetzt wurde mir alles klar: Ich war das Bauernopfer. Die einzige Person, die die hoi aristoi in die Finger bekommen hatten, das einzige Bindeglied zu den Spaltern. Der Klient würde Distanz wahren.
Wie alle anderen.
»Tut mir wirklich leid, Hunter. Ich hab immer gern mit dir zusammengearbeitet.«
»Ich mit dir auch. Mach dir keinen Kopf deswegen.«
»Und hey, so was ist nicht von Dauer.«
»Ich weiß, Mandy. Nichts ist von Dauer.
»Das ist die richtige Einstellung.«
Fünf Minuten später – ich war gerade dabei, meine Regale nach weiteren versteigerbaren Objekten abzusuchen, um die zur Begleichung meiner Schulden nötige Summe zusammenzukriegen – klingelte das Handy erneut. Und wieder schloss ich die Augen, um nicht aufs Display zu schauen.
Sie ist es nicht, sie ist es nicht … Vielleicht würde zehnmal reichen.
Sie war es.
»Hi«, sagte ich (und es klang bar jeder Hoffnung).
»Komm in einer halben Stunde zu der Stelle im Park, wo wir uns das erste Mal getroffen haben. Schaffst du das?«
»Schaff ich.«
Kapitel
FÜNFUNDDREISSIG
»Kann ich deinen Schuh fotografieren?«
Sie ließ ihren Feldstecher sinken, drehte sich zu mir um und lächelte.
»Die hier sind aber patentiert.«
Ich schaute auf ihre Füße: Sie hatte neue Schnürsenkel. Diesmal waren sie dunkelgrün, wie ein Hexagon um die Zunge gefädelt und in der Mitte geknotet. Das Muster sah aus wie ein Katzenauge, nur auf der Seite liegend. Ansonsten steckte sie in ihrer üblichen Logoverächterkluft, bis auf eine neue in der Sonne glänzende Jacke, die aus schwarzer Seide war, ärmellos und eine Spur zu groß.
»Keine Angst. Mein Interesse ist rein privater Natur«, sagte ich.
»Ich weiß. Mandy hat mich angerufen.« Sie senkte den Blick. »Dann bist du am Ende also doch gefeuert worden. Hat nur ein bisschen länger gedauert, als wir dachten.«
»Ich werd’s überleben.«
»Es tut mir leid, Hunter.«
Deswegen hatte sie also angerufen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Das war ein Mitleids-Date.
Meine Lippen öffneten sich, aber es kam nichts heraus. Ich hätte ihr gern erzählt, was mir über die Spalter klar geworden
war, aber was ich loswerden wollte, war so groß, dass es nicht in meinen Mund gepasst hätte. Jen wartete einen Moment, dann hob sie den Feldstecher wieder an
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