Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cool Hunter

Cool Hunter

Titel: Cool Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
die Augen.
    »Was schaust du dir an?«, schaffte ich zu sagen.
    »Das Ufer von Brooklyn.«
    Ich drehte mich um und blickte über den Fluss, wo zwischen den Industriegebäuden, den sich windenden Schnellstraßen und zerfallenen Docks ein Teil des Naval Shipyards auszumachen war.
    Natürlich. Jen gab niemals auf.
    »›Wir treffen uns in der Fabrik‹?«, zitierte ich fragend den Satz, den Mwadi Wickersham gesagt hatte, kurz nachdem die hoi aristoi – purpurrot gefärbt und rot vor Wut – im Studio aufgetaucht waren. Die Spalter hatten vorgehabt, am Montag ihr Quartier zu wechseln, aber in Anbetracht eines drohenden Vergeltungsschlags seitens der mächtigen Purpurnen stellte sich die Frage, ob sie nicht einen Tag früher als geplant umziehen würden.
    »Du glaubst also, dass sie in Brooklyn bleiben?«
    »Ja. Mein Gefühl sagt mir, dass ihr Platz in Dumbo ist.«
    »Soll derzeit ja auch die coolste Ecke sein.« Wir standen Schulter an Schulter. »Schon irgendwas Interessantes entdeckt? «, fragte ich.
    »Meinst du, dass dir jemand gefolgt ist?«
    »Glaub nicht. Ich bin durch Stuyvesant Town gegangen und dann am Fluss entlang wieder hier runter. Auf der Strecke gibt es nicht so viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.«
    »Gut gemacht.«
    »Roger.«
    Sie grinste und reichte mir den Feldstecher.

    Er war schwer und tarnfarben. Einen kurzen Moment lang berührten sich unsere Fingerspitzen.
    Das gegenüberliegende Ufer kam in all seinen Einzelheiten auf mich zugerast und jedes Zittern meiner Hände wuchs sich zu einem Erdbeben aus. Ich festigte meinen Griff, während ich einen Radfahrer beobachtete, der die Brooklyn Promenade entlangfuhr.
    »Wonach suche ich eigentlich?«
    »Nach der Domino-Zuckerfabrik.«
    Die Sicht verschwamm vor meinen Augen, als ich die Verfolgung des Radfahrers aufgab und das Fernglas weiter nach rechts schweifen ließ, wo die vertraute fleckige Fabrikfassade meinen Blick kreuzte. Ich schwenkte wieder ein Stück zurück, bis ich den unbeleuchteten, in riesigen Neonlettern angebrachten Schriftzug und die schräg zwischen zwei Fabrikgebäuden verlaufende Zuckerrutsche gefunden hatte. Und dann sah ich es: ein kleines, leer stehendes Grundstück zwischen der Fabrik und dem Fluss.
    »Mehrere gemietete Transporter«, raunte ich. Ein paar Gestalten huschten zwischen den Transportern und einem offenen Ladedock hin und her. »Jen, hast du eigentlich jemals versucht herauszukriegen, wer den Transporter gemietet hatte, den wir vor dem verlassenen Gebäude gesehen haben? Du hast dir doch das Kennzeichen notiert …«
    »Stimmt, aber leider hab ich keine Ahnung, wie man so was rausfindet.«
    »Ich auch nicht. Aber … hast du schon mal Möbelpacker gesehen, die ganz in Schwarz gekleidet sind? Mitten im Sommer? «
    »Noch nie. Und hast du gesehen, wie sie die Laster geparkt
haben? Ganz nah an die Mauer gequetscht, sodass man sie von der Straße aus nicht sehen kann.«
    Ich ließ den Feldstecher sinken – die Transporter verwandelten sich in gelbe Reiskörner und die Gestalten in winzige Eisenspäne, die wie von einem unsichtbaren Magneten bewegt wurden. »Sie rechnen nicht damit, dass jemand sie von Manhattan aus beobachten könnte.«
    »Der Feldstecher hat mich vierzehnhundert gekostet. Ein Militärrelikt aus der ehemaligen Sowjetunion. Aber der Typ meinte, dass ich ihn bis morgen wieder zurückbringen kann, wenn er mir nicht gefällt.«
    »Großer Gott, Jen.« Vorsichtig reichte ich ihr den Feldstecher zurück.
    Sie lehnte sich ans Geländer und schaute selbst wieder hindurch. Dass der Riemen des Feldstechers statt um ihren Hals über dem Wasser baumelte, schien sie nicht weiter zu beunruhigen. »Der Klient muss für die Schuhe ordentlich was hingeblättert haben. Wie ich gehört hab, werden die alten Fabrikgebäude in Eigentumswohnungen umgewandelt – Kostenpunkt eine Million, der atemberaubende Blick auf Manhattan ist inklusive.«
    »Ich tippe mal, dass sie sich Gewerberäume gemietet haben, in denen sie ein Filmstudio oder zumindest einen Schneideraum und wer weiß was sonst noch einrichten. Die betreiben die Spaltung jetzt wohl auf industriellem Niveau.
    Sie lächelte. »Du meinst wohl postindustriell.«
    »Postapokalyptisch.«
    »Noch nicht. Aber gib ihnen noch ein bisschen Zeit.«
    Wir standen eine Weile schweigend nebeneinander. Jen beobachtete aufmerksam, was auf der anderen Seite des Ufers
vor sich ging, und ich freute mich einfach nur, hier zu sein – zu analysieren, wie sich das Brooklyner

Weitere Kostenlose Bücher