Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
ein.
    »Und der dritte Ehemann, Charlie?«
    Hazletine blickte zu ihm auf.
    »Ach, du kommst also auch schon darauf«, sagte er. »Du empfindest dasselbe Mißtrauen, das in mir erwachte, als ich erfuhr, daß sich Nika zum drittenmal verlobt hatte …«
    »Wieder mit einem Patienten von dir?«
    »Nein, diesmal nicht. Es handelte sich um einen gewissen Simpson, Ray Simpson. Er wurde nicht von mir, sondern von Dr. Howell behandelt.«
    »Also Herzprobleme.«
    »Er hatte bereits zwei schlimme Herzanfälle hinter sich, als Howell ihn an mich verwies. Ich konnte dem armen Mann nicht helfen, seine Herzwände waren schon so dünn wie Papier.«
    »Und Nika heiratete ihn.«
    »Howell erzählte mir von der Heirat, von der er Simpson abgeraten hatte. Als er mir den Namen der Braut sagte, war ich überrascht – und wohl auch schockiert. Hier schienen sich meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen, daß Nika nämlich eine Art … Raubtier war, das sich an kranken Männern gütlich tat …«
    »Hast du je eine Erklärung dafür bekommen?«
    »Nun, Zufälle waren es jedenfalls nicht. Ich hatte Nika Simpsons Namen gesagt, als sie mir sagte, sie wolle wieder arbeiten, aber als Privatschwester. Simpson brauchte Hilfe, und Nika brauchte Arbeit. Das ist alles. Du weißt ja, was zwischen Privatpflegerinnen und ihren unverheirateten Patienten oft geschieht. Simpson war seit vielen Jahren Junggeselle. Er verfiel Nika …«
    »Und verfiel auch so?«
    »Ja«, sagte Hazletine nervös. Er zog eine neue Zigarette aus der Packung und zündete sie an, diesmal ohne Kommentar. »Er starb schon einen Monat nach der Hochzeit.«
    »Und er war reich.«
    »Nein, nein«, sagte Hazletine hastig. »Bitte versteh mich nicht falsch, Joel, Simpson war nicht wirklich reich, ebensowenig wie die anderen beiden. Sie alle standen ziemlich gut da und hatten beträchtliche Versicherungen abgeschlossen … Mach dir keine Sorgen, ich habe viel darüber nachgedacht. Besonders nachdem Nika wieder in mein Leben trat. Ich will ganz offen sein, Joel, ich hatte ein bißchen Angst vor ihr, ich machte mir Sorgen, daß sie mich – auf besondere Weise mißbraucht hätte. Natürlich fühlte ich mich zu ihr hingezogen, das geht den meisten Männern so. Sie hat ja auch eine ganz besondere Art, sie bringt es immer wieder fertig, daß man sich klug und talentiert vorkommt – und dergleichen. Sie ist wirklich intelligent, Joel, wahrscheinlich hast du keine Ahnung, wie belesen sie ist. Sie hat das Versicherungsgeld nicht verplempert, sondern vernünftig und kultiviert eingesetzt, wenn du verstehst, was ich meine. Sie ist viel gereist; nach Cernaks Tod ging sie nach Europa. In den beiden Monaten vor der Reise lernte sie Französisch. Stell dir das vor! Sie besuchte eine Sprachschule und lernte Französisch, mit links. Und wenn man sie wirklich kennt, Joel, kann sie niedlich und charmant sein wie eine Sechzehnjährige. Hör mal, du weißt, wovon ich rede, als Arzt erspürt man solche Charakterzüge, hat man nach einer gewissen Zeit eine besondere Menschenkenntnis. Deshalb weiß ich auch, daß ich mich in Nika getäuscht habe, daß sie nicht … das war, wofür ich sie hielt. Sie ist ein Engel, Joel. Das ist eine kindliche Ausdrucksweise, und ich bin weiß Gott kein Kind – aber das ist Nika nun mal. Ich werde mir größte Mühe geben, sie glücklich zu machen.« Er drückte die Zigarette aus und begegnete dem Blick seines Freundes. »Sieh mich nicht so an, Joel! Ich weiß, daß ich ein alter Dummkopf bin, aber ich liebe diese Frau nun mal, und das wäre sicher unmöglich, wenn sie … es nur auf mein Geld abgesehen hätte oder so. Verstehst du?« Er berührte die Ausbuchtung seines Jacketts, unter der sich die Zigaretten befanden, und lächelte. »Du mußt immerhin eins zugeben. In finanzieller Hinsicht bin ich nicht gerade König Midas, oder?«
    Der jüngere Arzt schob den Stuhl zurück.
    »Schon gut«, sagte Hazletine, »schon gut, ich weiß, daß ich zuviel darüber rede und daß ich eigentlich nicht deshalb hier bin. Kommen wir zum Kern der Sache, Joel. Was hast du da in der hübschen weißen Mappe? Ein sauber getipptes Patientenblatt, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Joel matt. »Nika erstellt vorzügliche Unterlagen, Charlie. Es wird mir ehrlich leid tun, sie zu verlieren …«
    »Na, wie sieht es aus? Was hat meine Untersuchung ergeben?«
    Als Joel nicht antwortete, öffnete sich Dr. Hazletines Mund, und der obere Teil seines Gebisses, der ohnehin nicht besonders fest saß,

Weitere Kostenlose Bücher