Coole Geschichten für clevere Leser
kam und seinen Pomadenkopf über den Tisch streckte. »Guten Tag«, sagte er verbindlich.
»Hören Sie, Mr. Lampi, können wir beide heute abend mal ein kleines Geschäft besprechen? In Ihrem Büro?«
»Ein Geschäft, Mr. Keller?«
»Ich möchte eine große Wette plazieren.«
Lampi schien das Interesse zu verlieren. »Ach. Warum sprechen Sie deswegen nicht mit Phil? Der kümmert sich um Sie.«
»Nein, ich möchte das mit Ihnen abmachen. Es geht um eine wirklich große Wette. Fünf Riesen.«
Lampi schürzte die Lippen.
»Sie nehmen mich doch nicht etwa auf den Arm, Mr. Keller?«
»Wie käme ich dazu? Ich bringe das Geld heute abend vorbei. Ach, noch etwas …« Er berührte den Mann am Arm. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich durch die Seitentür zu Ihnen komme? Sie wissen ja, wie das so ist …«
»Aber klar, Mr. Keller. Stimmt mit dem Kalbfleisch; etwas nicht?«
»Alles in Ordnung, alles in Ordnung. Schmeckt großartig! Ich habe nur keinen Hunger«, sagte Keller.
Auch am Abend war er nicht hungrig. Trotzdem schlenderte er gegen acht Uhr in Lampis Restaurant und bestellte sich das teuerste Gericht auf der Speisekarte. Er aß langsam, ohne den Blick von der geschlossenen Bürotür im hinteren Teil des Lokals zu nehmen. Die beiden ungewohnten Gewichte in seinen Taschen ließen ihm keine Ruhe. Die Automatik war schwer, doch noch mehr mußte er an den dicken Packen Geldscheine in der Brieftasche denken – ein Betrag, den er vorhin erst vom Konto des Krawattenladens abgehoben hatte. Als er die Rechnung bezahlt hatte, stand er auf und verließ das Restaurant, wobei er sich von Kellner Phil betont verabschiedete. Dann mar schierte er um die Ecke zur Seitentür, die in Lampis Büro führte. Er klopfte zweimal, und Joe Lampi forderte ihn auf einzutreten.
Die Einrichtung war bombastisch. Keller achtete nicht auf seine Umgebung und erinnerte sich später auch nicht an Einzelheiten, doch spürte er einen weichen Teppich unter den Füßen und registrierte das gedämpfte Licht. Lampi war allein und saß hinter einem lederbespannten Tisch. Verkrampft lächelnd stand er auf.
»Also«, sagte er.
Kellers Hände hatten zu zittern begonnen. Er verschränkte sie und nahm sich zusammen. Dann sagte er: »Ich möchte im Rennen von Donnerstag wetten, auf ein Pferd mit dem Namen April Chance.«
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir erst Ihr Geld anschaue?«
»Oh, ich habe den Betrag mit, Mr. Lampi, wie angekündigt.« Er holte die dicke Brieftasche heraus, die unter seinen Fingern aufsprang und auf den Tisch fiel. Ungeschickt griff er danach und zog die Geldscheine heraus. Lampi nahm sie, setzte sich und begann zu zählen, wobei er die Hunderter und Fünfziger säuberlich trennte und auftürmte. Genauso hatte es Frank Rufer beschrieben. Warten Sie, bis er zu zählen beginnt, hatte Rufer gesagt. Lampi liebt es, Geld zu zählen. Warten Sie, bis er die Augen auf der Sore hat, und dann …
Lampis Augen waren auf die Sore gerichtet, und Carl Kellers nervöse rechte Hand bewegte sich langsam am Aufschlag seiner Jacke entlang und verschwand im Ausschnitt. Die Finger schlossen sich um die Waffe im Halfter und zerrten sie heraus. Im letzten Augenblick dachte er noch daran, die Automatik zu entsichern.
Als das Klicken ertönte, hob Lampi den Kopf.
Keller streckte den Arm aus und feuerte. Lampi stieß ein Ächzen aus und fiel über den Tisch, als wäre er aus seinem Drehstuhl katapultiert worden. Sein Körper verdeckte die gezählten und ungezählten Geldscheine.
Keller kicherte schrill und wollte eben zum zweitenmal abdrücken, als ihn ein Geräusch hinter seinem Rücken ablenkte. Er wirbelte herum und sah Phil in der geöffneten Bürotür stehen, einen Teller weiche Spaghetti in der Hand. Keller durchfuhr ein solcher Schreck, daß er Rufers Anweisungen vergaß und die Waffe auf den Teppich fallen ließ. Dann stürzte er zur Seitentür und knallte sie hinter sich zu. Kopflos rannte er über die Neunundsechzigste Straße, sprintete zwischen den Verkehrsströmen hindurch und drückte die Tür des Krawattenladens mit der Schulter auf. Obwohl die Strecke nicht weit war, atmete er schwer.
Er wußte, daß er in der Klemme steckte, und sein einziger Gedanke galt Rufer. Rufer mußte wissen, was zu tun war; er brauchte Rat. Hastig blätterte er einen ungeordneten Stapel Papiere durch und fand schließlich die gesuchte Nummer. Er ließ es achtmal klingeln, ehe ihm aufging, daß Rufer nicht da war.
Keller kämpfte gegen die
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