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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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jedenfalls nicht wegen des Heiratens – aber das war schließlich gar nicht mehr erforderlich.

Letzte Abrechnung
    4. Februar 1960
    Liebe Mutter,
    es tut mir leid, daß ich so lange nicht geschrieben habe, doch in der letzten Woche bin ich so sehr mit den Nerven runter gewesen, daß ich einfach keinen Stift in die Hand nehmen konnte. Ist nun schon gut ein Jahr her, daß Joe von der Polizei weg ist und im Ruhestand lebt, doch ich mach mir immer noch Sorgen wegen der miesen Verbrecher, mit denen er zu schaffen hatte. Du weißt ja, die Kerle vergessen nie etwas, Mutter. Sie sind wie Elefanten, jedenfalls einige, und Joe hat in seiner Dienstzeit so viele hinter Gitter gebracht, daß ich langsam am Ende meiner Weisheit bin. Na, Du kannst Dir vorstellen, wie mir letzte Woche zumute war, als dieser schreckliche Brief kam. Ein Drohbrief ohne Unterschrift, doch Joe meint, er weiß, woher das Ding kommt, nämlich von Willy Luddock, der im Januar auf Bewährung rausgekommen ist. Du erinnerst Dich sicher an Willy Luddock, das war der Kerl, der wie ein Gorilla aussah und 1945 von Joe verhaftet wurde, weil er einen Schuhmacher umgebracht hatte. Gott allein weiß, warum man einem solchen Mann Bewährung gibt! Einem Mörder! Kaum hat Joe den Brief gesehen, da wußte er, daß Willy Luddock dahintersteckte. Noch vor einer Woche hatte er nämlich von ihm gesprochen und überlegt, ob es wohl Ärger geben würde.
    Na, du kannst Dir vorstellen – als ich den Brief sah, bin ich fast gestorben vor Schreck. Darin stand, Joe hätte nicht mehr lange zu leben, er wäre bald dran und sollte schon mal zu beten anfangen. Aber Du kennst ja Joe, Mutter, trotz seines Alters läßt er sich nicht ins Bockshorn jagen, er fluchte nur, wie es seine Art ist, und bekam schlechte Laune. Ich bat ihn, die Polizei zu informieren, oder wenigstens Sam Crawford, damit die ein bißchen aufpassen, aber er regte sich nur noch mehr auf und sagte, er könnte schon selbst auf sich achtgeben, und mich ginge das alles ja nichts an.
    Na ja, Mutter, viel mehr gibt es nicht zu berichten. Der Drohbrief hat mich so durcheinandergebracht, ich kann an nichts anderes mehr denken. Eins weiß ich, kriegt Joe noch so ein Schreiben, bestehe ich darauf, daß er die Polizei einschaltet. Man hat ja schließlich Nerven! Aber mach Dir bitte keine Sorgen um mich und achte auf Deine Gesundheit. Ich wäre zu gern bei Dir, wo Du doch krank bist. Wenn Du nur hier wohnen könntest, wo ich Dich versorgen könnte, aber Du weißt ja, wie die Dinge stehen. Grüß Poochie und schreib mir, wenn Du Dich besser fühlst.
    Martha
     
    An J. Quinn –
    Bulle, du hast nur noch wenige Tage zu leben. Bis dahin – träum süß!
    Gnadenkiller
     
    Lieutenant Sam Crawford
    Morddezernat
    12. Revier, Grandview
    Lieber Sam,
    Deine Frau scheint Dich wirklich unter dem Pantoffel zu haben. Wann nehmen wir beide uns mal ein paar Tage frei und machen einen drauf?
    Aber ich schreibe nicht, um Dich von den Schürzenzipfeln Deiner Frau wegzulocken. Es geht um eine ernste Sache. Ich brauche Dir nicht erst zu sagen, daß sich jeder Polizeibeamte, wenn er nur einen Schuß Pulver wert ist, Feinde macht. Vor meiner Pensionierung habe ich mir eine Liste meiner Feinde zusammengestellt – die war so lang wie mein Arm. Jedenfalls habe ich vor einer Woche einen Drohbrief erhalten.
    Der Text war auf liniertem gelbem Papier geschrieben, mit sehr sauberen Blockbuchstaben. Gestern kam ein ähnlicher Brief.
    Glaub mir, ich mache mir keine Sorgen. Wozu auch? Der Kerl, der mir diese Briefe schrieb, will, daß ich an den Fingernägeln knabbere und nervös werde – wahrscheinlich, ich sage: wahrscheinlich hat er gar nicht die Absicht, Ernst zu machen.
    Mein einziger Fehler war es, Martha davon zu erzählen. Man sieht ihr an, daß sie kurz vor dem Zusammenbrechen steht. Schon als noch alles in Ordnung war, benahm sie sich, als stünde der Weltuntergang bevor, doch als der Brief kam, stellte sie sich dermaßen an, daß ich sie zum Arzt schicken mußte.
    Ich glaube, ich kann die Sache schnell klären, denn ich habe so eine Ahnung, wer der Briefschreiber ist. Ich bin zu neunundneunzig Prozent sicher, daß Willy Luddock dahintersteckt, der 1945 einen Schuhmacher ermordete. Schon damals wurde gegen die sogenannte Polizeibrutalität polemisiert, und mit Hilfe eines der klügsten Anwälte des Landes sprang uns Willy fast von der Schippe. Na ja, jetzt sind fünfzehn Jahre herum, und die Gesellschaft hat den Killer wieder am Hals.
    Am Tag, als

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