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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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heruntergeschluckt hatte.
    »Na? Wer ist Sheila?«
    »Owen, hör doch zu …«
    »Du solltest in der Kabine wie gefangen sein, ja? Du solltest keinen Fuß vor die Tür setzen! Wie viele andere Frauen hast du angequatscht? Wahrscheinlich bist du in den Aufenthaltsraum gegangen und hast mit Passagieren Bridge gespielt! Oder hast du gar am Tisch des Kapitäns gesessen?«
    »Ich schwöre dir, so war es nicht! Ich habe alles so gemacht, wie du mir gesagt hattest, Owen. Auf meinen Eid! Der Steward hat keinen Blick in mein Gesicht werfen können!«
    »Und was ist mit Sheila? Was hat sie gesehen?«
    »Sie war die einzige, Owen, ehrlich. In der verdammten Kabine drehte ich langsam durch. Da habe ich einen kleinen Spaziergang an Deck gemacht, nachts …«
    »Ein kleiner Spaziergang! Ach, und dabei hast du dir Sheila gegriffen, beim Spazierengehen?«
    »Owen, ich schwöre dir …«
    »Du hast jetzt genug geschworen. So wie die Frau eben redete, hast du ihr sonstwas versprochen. Sie verlangt mich zu sehen. Sie hat von Harriets Tod erfahren und will nun ein Stück vom Kuchen abhaben. Begreifst du, was das bedeutet?«
    »Ach je, Owen, ich hätte nie gedacht …«
    »Ist dir klar, was das bedeutet? Wenn sie hier aufkreuzt, bin ich geliefert. Dann sitze ich in der Klemme! Ein Blick, und sie weiß, daß ich nicht an Bord des Schiffes war! Glaubst du, dann braucht sie lange, um zwei und zwei zusammenzuzählen ?«
    Robin stieß einen kummervoll-blökenden Laut aus.
    »Kannst du sie denn nicht vertrösten? Wenigstens lange genug, bis …«
    »Wie denn? Nachdem du so charmant zu ihr warst?«
    »Könntest du nicht ein Weilchen verreisen?«
    Owen schwenkte den Hörer wie ein Schlagholz hin und her. Dann sagte er: »Vielleicht hast du recht. Das dürfte im Augenblick die einzige Lösung sein. Ich fahre nach Paris zurück, um dort meine Geschäfte abzuschließen …«
    »Es tut mir leid, Owen.«
    »Es tut dir leid!« fauchte er und knallte den Hörer zum zweitenmal hin.
    Jetzt brauchte er nur noch einen Anruf zu erledigen, beim Fahrkartenbüro der British Line.
    Auf der S. S. Empire waren keine Luxuskabinen mehr frei gewesen, und zum erstenmal in seinem Leben mußte sich Owen mit einem Quartier auf dem B-Deck begnügen. Doch war dies eine Widrigkeit, die er hinnehmen mußte, um Sonnabend noch abreisen zu können.
    Der Steward, der ihm seine Kabine zeigte, war ein mürrischer, wenig verbindlicher Mann, der keinen sonderlich guten Service verhieß. Allerdings hatte Owen kaum Sonderwünsche. In der letzten Woche hatte er Bandagen und Krücken abgeworfen und seine Gicht für geheilt erklärt.
    Die Kabine war klein und eng und schlecht gelüftet; der Wetterbericht verhieß wenig Gutes für die Zeit der Überfahrt. Das Barometer zeigte auf Sturm. Eine ruhige Überfahrt schien ausgeschlossen – doch wenigstens entkam er seinem Schicksal.
    Das Schiff legte um sechzehn Uhr ab. Eine Stunde später klopfte es an Owens Tür.
    »Herein!« sagte er.
    Die Tür ging auf, und eine Frau in einem schmucken blauweißen Hosenanzug stand in der Tür und blickte ihn mit geöffnetem Mund an. Sie hatte eine strenge Frisur, und ihr freundlich-attraktives Gesicht litt unter einem zu kräftig ausgeprägten Mund und Kinn.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich dachte, dies sei Mr. Laytons Kabine.«
    »Ja, ich bin Mr. Layton. Was kann ich für Sie tun?«
    Sie zog die Brauen zusammen. »Sie sind nicht Owen Layton.«
    »Doch.«
    Ein unsicheres Lachen. »Aber das gibt es doch nicht! Ich meine – Mr. Layton ist viel jünger. Ich bin sicher, da liegt ein Irrtum vor …«
    »Hätten Sie etwas dagegen, mir zu sagen, was Sie wollen?«
    Vorsichtig trat sie ein.
    »Ich habe Ihren Namen auf der Passagierliste gesehen. Der Owen Layton, den ich meine – nun, er ist etwa so groß wie Sie, hat einen Bart wie Sie, aber – na ja, er ist im Weinhandel tätig. Sind Sie im Weinhandel?«
    Die Luft in der Kabine schien plötzlich unerträglich schwül zu sein; Owen, der an dem schmalen Ankleidetisch saß, fiel das Atmen schwer. Mit entsetzt aufgerissenen Augen starrte er die Frau an.
    »Wer sind Sie?« fragte er heiser.
    »Sheila Ross«, antwortete die Frau und preßte die Lippen zusammen. »Ich bin hier an Bord für die Veranstaltungen zuständig.«
    »Die Veranstaltungen« fragte Owen. »Sie arbeiten auf dem Schiff?«
    »Ja. Und wer zum Teufel sind Sie?«
    Dann machte sie kehrt und ging mit klickenden Absätzen zur Tür.
    »Egal«, sagte sie grimmig. »Ich finde heraus, wer Sie sind!

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