Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
Wetten?«
    Die Tür knallte hinter ihr zu. Oben an Deck dröhnte die Pfeife der Empire auf und warnte die Meere, daß das Schiff unterwegs war, bei jedem Wind und Wetter.

Der letzte Drink
    »Langsam einschenken«, sagte Del Harmon, legte die Daumen zusammen und rahmte damit das Bild des Barmannes und der Flasche ein. »Ich möchte Sie so in Erinnerung behalten.« Er kicherte albern, und die Ellenbogen, die ihn stützten, rutschten auf der feuchten Fläche der Bar zur Seite. Rudy der Barmixer reagierte nur mit einem Grinsen, doch Bob Pitter von der Agentur, der mit ernstem Blick neben Del saß, wurde nervös. Er packte den anderen am Arm und sagte: »He, jetzt reicht’s aber. Laß den Drink doch sausen!«
    »Du verstehst gar nichts«, sagte Del und betonte jede Silbe. »Das hier ist nicht irgendein Drink, mein lieber Bobby; es ist der letzte Drink einer langen, langen Reihe. Hab ich nicht recht, Rudy?«
    »Jawohl, Sir, Mr. Harmon«, antwortete der Barmixer und blinzelte Pitter zu. »Eine lange Reihe Drinks, das ist richtig. Aber der letzte?«
    »Der letzte«, sagte Del durchdringend. »Der absolut letzte, mein guter Freund.« Er setzte das kleine Glas an die Lippen, warf den Kopf zurück und ließ die braune Flüssigkeit in seinem Hals verschwinden. Er schloß die Augen, als genösse er die Reise des Alkohols in sein Inneres, und wirkte im nächsten Augenblick so nüchtern wie noch nie an diesem Abend. »Der letzte Drink«, wiederholte er. »Du müßtest dich eigentlich darüber freuen. Vielleicht kriege ich deine Filmchen nun doch noch fertig, vielleicht brauchst du meine Aufträge gar nicht zu streichen.«
    »Wer, ich? Du hast doch Schluß gemacht, Del! Du könntest haufenweise Werbefilme für mich drehen, wenn du nur wolltest.«
    »Alles wird anders«, sagte Del ernst und rückte seine gestreifte Krawatte zurecht. »Ich sage dir, ich werde mich ändern. Keine Sauftouren mehr, keine Frauen mehr, alles ganz tugendhaft. Nüchtern, fleißig, was du willst – ich stehe an vorderster Front.« Er setzte ein jungenhaftes Grinsen auf, das sein langes, flaches Gesicht plötzlich attraktiv wirken ließ. »Und jetzt fahre ich nach Hause«, verkündete er. »Nach Hause zu Alma.«
    »Alma?« Bob Pitter zuckte zusammen. »Hast du Alma gesagt? Ich dachte, es wäre zwischen euch beiden aus.«
    »War«, berichtigte Del. »Wir sind wieder zusammen, alter Freund, vereint unter dem Banner der Ehe.« Seine Stimme verlor den spöttischen Ton. »Ich habe mich letztes Wochenende lange mit ihr unterhalten, wir haben uns gründlich ausgesprochen, Bob. Sie hat mir vor Augen geführt, was für ein Schweinehund ich gewesen bin; obwohl mir das eigentlich niemand zu sagen brauchte. Jedenfalls habe ich ihr ein Versprechen gegeben, das ich halten werde. Und damit fängt es an.« Mit dem Daumen wies er auf die Flaschen, die hinter der Bar schimmerten, und griff nach der Brieftasche.
    »Laß mich bezahlen«, sagte Bob.
    »O nein. Das muß ganz offiziell vor sich gehen. Ich muß dafür bezahlen, begreifst du?« Und er beglich die Rechnung – für den letzten wie für alle vorausgegangenen Drinks. Zuletzt legte er einen Fünfdollarschein auf den Stapel. »Das ist für Sie, Rudy«, sagte er. »Als Ausgleich dafür, daß Sie nun einen Kunden verlieren.«
    »O ja«, sagte Rudy nickend. »Vielen Dank, Mr. Harmon.«
    Auf der Straße stolperte Del und wäre fast gestürzt. Pitter hielt ihn gerade noch fest und sagte: »Ob das nun der letzte Drink war oder nicht, du bist auf jeden Fall sternhagelvoll. Willst du in diesem Zustand wirklich zu Alma?«
    »Das schaffe ich schon«, sagte Del und lachte. »Wenn ich zu Hause ankomme, bin ich bestimmt stocknüchtern. So eine Zugfahrt wirkt Wunder.«
    »Soll ich dich zum Bahnhof bringen?«
    »Nein, geh nur nach Hause, Bob. Du glücklicher Stadtmensch. Ich wette, vor deiner Tür sitzt schon eine hübsche Blonde.«
    Pitter lachte. »Das Glück möchte ich mal haben! Aber wenn du wirklich Schluß machst, kannst du mir ja deine Abgelegten überlassen …«
    »Von mir aus, Kumpel, kannst sie alle haben! Ich will nur noch Alma, meine süße kleine Alma …«
    »Mann, du bist ja wirklich total umgekrempelt!«
    »Ich bin verliebt«, antwortete Del und blickte ihn ernst an. »Ich liebe meine Frau. Ehrlich, ich liebe sie.« Tränen standen in seinen Augen, und Bob Pitter wandte verlegen den Blick ab. Dann schlug er seinen Freund auf die Schulter und fuhr nach Hause.
    Del hatte sich geirrt. Die Zugfahrt ernüchterte ihn

Weitere Kostenlose Bücher