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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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grünweiße Aufblitzen gesehen hatte.
    Als er das sanft geneigte Dach seines Hauses und den gewundenen Holzzaun mit den Rosenranken erblickte, saß ihm ein dicker Kloß im Hals, und seine Augen brannten. Die Fenster waren dunkel; Alma hatte nicht auf ihn gewartet, aber das war durchaus in Ordnung. Er würde ins Schlafzimmer gehen und sie mit einem Kuß auf die glatte Wange wecken. Dann wollte er sich auf die Bettkante setzen und ihre Hand halten und sich leise mit ihr über die Dinge unterhalten, die für sie beide wichtig waren, über seine neuen Vorsätze, seine Versprechungen für die Zukunft .
    Er lenkte den Wagen in die Auffahrt. Da die Garagentür geschlossen war, stoppte er den T-Bird, schaltete den Leerlauf ein und stieg mühsam aus. Er legte die Finger um den Türgriff und ruckte ihn nach oben, doch die Tür rührte sich nicht. Sie war verschlossen.
    Er vergaß die zärtlichen Gedanken, die er eben noch gehabt hatte, und begann Alma zu verwünschen. Wie dumm von ihr – typisch! Er blickte zum Auto zurück, das in der Auffahrt stand, auf die verräterischen Spuren des Zusammenstoßes an Kotflügel und Motorhaube, und fluchte über die Gedankenlosigkeit seiner Frau. Er schaltete den Motor ab und ging zur Haustür. Erst jetzt fiel ihm ein, daß er ja gar keinen Schlüssel hatte, daß er seit der Trennung vor sechs Monaten keinen Schlüssel mehr besaß. Sich leise ins Schlafzimmer zu schleichen und ihr einen Kuß auf die Wange zu geben – davon konnte keine Rede mehr sein. Er mußte klingeln.
    Und er klingelte.
    Als sie nicht herunterkam und hinter den oberen Fenstern auch kein Licht erschien, läutete er zum zweitenmal. Noch immer keine Antwort, und er begann energisch an die Tür zu klopfen.
    »Alma!« flüsterte er heiser. »Ich bin es, Del!«
    Endlich erschien ein Lichtfleck auf dem Rasen. Er trat von der Haustür zurück und sah den schwachen gelben Schimmer hinter dem Rouleau des Schlafzimmers. Wieder klingelte er.
    »Del?« ertönte da ihre Stimme. Dann sagte sie unfaßbarerweise: »Verschwinde …«
    Es war ein kaum hörbares Flüstern hinter der Tür. Im ersten Augenblick glaubte er seinen Ohren nicht zu trauen, doch als er wieder klingelte, sagte sie:
    »Verschwinde endlich, Del! Hörst du? Fahr weiter!«
    »Alma! Alma, ich bin es doch!«
    »Das weiß ich. Aber ich lasse dich nicht ins Haus, Del. Es hat keinen Sinn, daß du Theater machst.«
    »Aber du mußt mich einlassen! Alma, um Himmels willen …«
    »Verschwinde!«, kreischte sie. Dann herrschte Stille.
    Wieder drückte er auf den Klingelknopf, diesmal in kurzen Abständen. Er hämmerte gegen die Tür, bis sie in den Angeln erbebte, doch von der anderen Seite waren keine Worte mehr zu hören. Das schräge Lichtrechteck, das auf den Rasen geworfen wurde, verschwand.
    »Alma!« brüllte er. »Alma, laß mich rein!«
    Zwanzig Minuten lang hämmerte er vergeblich gegen die Tür, ohne sich darum zu kümmern, daß die Nachbarn Licht zu machen begannen, daß zornige Stimmen durch die Nacht hallten und ihm rieten, endlich den Mund zu halten und zu verschwinden, und ihm schließlich sogar Gewalt und die Polizei androhten. In seiner Verzweiflung probierte er es an der Hintertür und fand sie versperrt. Daraufhin versuchte er das Küchenfenster aufzubrechen, doch ohne Erfolg.
    Als er wieder nach vorn kam, näherte sich ein grauweißes Auto, in langsamer Fahrt, unheildrohend. Auf der Vorderbank saßen zwei Uniformierte.
    Es blieb keine Zeit für Erklärungen, keine Zeit, den Beamten zu erklären, was er verständlich machen mußte. Sie waren zu neugierig, zu mißtrauisch: der T-Bird in der Auffahrt wurde zum Ziel ihrer hellen Taschenlampen, ehe er die richtigen Worte fand, sie fortzuschicken. »He, Petey, sieh dir das an!« sagte der eine Beamte, und sein Licht zuckte über den zerdrückten Kotflügel des Zweisitzers.
    »Ist das Ihr Wagen, Mister?«
    Er vermochte nicht gefaßt zu antworten; sie sahen sein bleiches Gesicht und seine zitternden Lippen und ahnten, daß er mehr war als ein aufgebrachter Ehemann. Sie untersuchten den Sitz des T-Bird, und im Licht der Taschenlampe leuchteten die Blutflecke erschreckend rot auf dem beigefarbenen Polster. Noch einmal sahen sich die Beamten die Front des Wagens an und wandten sich dann an Del, der nur noch stammeln konnte.
    »Ich bin schuldlos, ehrlich! Ich bin schuldlos. Es war ein Unfall …«
    Zehn Minuten später saß er zusammengesunken und schicksalsergeben im Rücksitz des Streifenwagens und dirigierte die

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