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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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blinzelte. Seine Freundin Hilda hatte als Juwelierin regelmäßig in Providence zu tun.
    »Na schön, du Schlauberger«, sagte er bitter. »Das war kein so toller Trick.«
    »Aber ins Blaue geraten war es auch nicht«, entgegnete Cardoza. »Eine klare Schlußfolgerung. Wir haben Sonnabend nachmittag fünf Uhr, und du bist längst rasiert. Du hast einen sehr dünnen Bart und rasierst dich nur einmal am Tag. Wärst du mit deinem Mädchen verabredet, hättest du dir die Rasur bis heute abend aufgehoben. Außerdem bist du mit einer Tüte des Drugstore hier angekommen, darin zwei Taschenbücher. Das beweist mir, daß du einen ruhigen Abend zu Hause planst.«
    Cardoza hatte sich wieder gefangen: er setzte sein Dressman-Lächeln auf. Wutschnaubend griff Ivers in die Tasche und holte eine Münze heraus.
    »Hier hast du einen Zehner für die Charakteranalyse«, sagte er. »Mehr ist sie nicht wert.«
    »Ach, ich weiß nicht. Mit der Sherlock-Methode kann man meines Erachtens viel über den Charakter eines Menschen herausfinden. Man braucht sich nur anzusehen, was der Betreffende besitzt, welche Bücher, welche Kleidung, welche Möbel …« Er machte eine umfassende Handbewegung, deutete unbescheiden auf die geschmackvoll-teure Einrichtung.
    »Unsinn!« sagte Ivers gepreßt. »Eine verrückte Idee. Halb ausgegorene Vermutungen anstellen, das kannst du, mehr nicht.«
    »Mag sein«, sagte Cardoza leise lachend. »Noch einen Drink?«
    Ivers ließ sich an der gepolsterten Bar in der Ecke einen neuen Highball zurechtmachen. Er blickte auf Cardozas faltenlos sitzenden Maßanzug und kam zu dem Schluß, daß er den anderen haßte. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Als Cardoza ihm das Glas reichte, meinte er:
    »Ich mache dir einen Vorschlag, Kumpel. Hast du heute abend etwas vor?«
    »Nichts Wichtiges. Warum?«
    Ivers grinste schief. »Mir ist da eben eine Inspiration gekommen. Bist du eine Spielernatur?«
    »Was meinst du?«
    »Ich meine, wärst du bereit, in eine große Wette einzuschlagen, sagen wir um hundert Dollar? Keine gewöhnliche Wette. Etwas, das dir Spaß machen müßte.«
    »Interessant. Bitte die Einzelheiten.«
    Ivers setzte sich in dem Ledersessel zurecht. »Du hältst deine Sherlock-Methode für umwerfend, das sollst du beweisen. Wie schon du sagtest, ist meine Freundin heute außerhalb. Sie mußte nach Providence und dort einen Mann besuchen. Ich kenne Hildy inzwischen ganz gut, wir sind seit etwa einem Jahr zusammen.«
    »Na und?«
    »Hildy ist ein sehr interessantes Mädchen. Glaubst du, du könntest ihren Charakter analysieren, ohne sie überhaupt kennenzulernen?«
    »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Ganz einfach«, sagte Ivers lächelnd, griff in die Hosentasche und holte einen kleinen Sicherheitsschlüssel hervor. »Ich habe einen Schlüssel zu ihrer Wohnung – seit acht Monaten schon. Ich schlage vor, du gehst in die Wohnung, siehst dich dort um und verbringst vielleicht sogar die Nacht dort. Schau dir ihre Bücher an, schau in den Kleiderschrank, wühl im Arzneifach herum, steck die Nase überall hin. Morgen früh schreibst du mir eine Analyse von Hildys Charakter. Ich verspreche dir, ich werde deinen Bericht wahrheitsgemäß beurteilen, sei er nun gut oder schlecht; du kannst sie später sogar kennenlernen und dich selbst überzeugen. Wenn du Hildy richtig beschreibst, gebe ich dir hundert Piepen. Wenn nicht, gibst du mir hundert. Was könnte fairer sein?«
    Cardoza blickte ihn ausdruckslos an. »Fair ist es schon, aber …«
    »Was kannst du dagegen haben? Es kann nichts passieren; Hildy kommt erst morgen nachmittag zurück, und ihre Wohnung liegt in einem großen Mietshaus, in dem keine Fragen gestellt werden. Wenn es dir lieber ist, lasse ich dich selbst rein.«
    »Ach, ich weiß nicht, Hal, ich habe da eine Art Verabredung mit …«
    Ivers lachte leise. »Schon kapiert! Ich gebe zu, es ist ein bißchen hart, wenn man seine Prahlerei mit Geld untermauern muß.«
    »O nein, das meine ich nicht. Aber die ganze Sache kommt mir irgendwie gemein vor …«
    »Das meine ich ja! Ich finde es gemein von Conan Doyle, daß er die Kegel zurechtstellt, damit Sherlock sie umwerfen kann. Ich nehme es dir nicht übel, wenn du jetzt kneifst.«
    Cardoza stellte das Buch wieder an seinen Platz auf dem Regal und drehte sich um.
    »Na schön«, sagte er. »Die Wette gilt.«
    Zum Abendbrot verzehrten sie einige Brote in einer Cafeteria, und Ivers beherrschte das Gespräch, bis die Kellnerin die Rechnung brachte. Er

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