Coole Geschichten für clevere Leser
verschloß die Lade und legte den Schlüssel an Ort und Stelle. Schließlich fuhr er nach Hause.
»Bill?«
»Später«, sagte er, ging durch die Diele, erstieg die Treppe und verschwand im Schlafzimmer. Seine Frau hatte ein Glas in der Hand – nicht zu übersehen. Sie trank mal wieder. Das war noch so ein Problem. Sie schüttete das Zeug förmlich in sich hinein. Wäre nicht weiter überraschend, wenn sie den Pegel in der Bourbon-Flasche um gut eine Handbreit täglich senkte. Nummer 19, überlegte er sarkastisch-selbstzufrieden.
»Zwanzig«, sagte er laut und blickte sich im unaufgeräumten Zimmer um. Meistens ihre Sachen, aber auch ein paar von seinen, aber wer war dafür zuständig? Ordnung war das mindeste, was er von ihr verlangen konnte. Was hatte sie denn den ganzen Tag lang zu tun?
Er nahm ein Spitzenhemd vom Boden und knallte es auf einen Stuhl. Er las ein zerdrücktes Papiertaschentuch auf und warf es in den kleinen Papierkorb. Er ergriff eine seiner Hosen, zog den Gürtel aus den Schleifen und hängte sie in den Schrank. Dann zog er sein Hemd aus, rollte es zusammen und warf es auf den Stuhl zu ihrer Wäsche.
Schließlich nahm er ein dickes Wollhemd aus der Schublade und streifte es langsam über. Im gleichen Augenblick fiel ihm die Pistole ein, und er durchwühlte die Kleidungsstapel, um zu sehen, ob die Waffe noch an Ort und Stelle lag. Ja, da war der Kasten, mit Klebeband fest verschlossen.
»Ich dachte, du wolltest nicht kommen«, sagte Karen anklagend, als er die Treppe herabkam.
»Ich hab’s mir anders überlegt.«
»Mach dir keine Hoffnung auf ein Abendessen – ich hab dich beim Wort genommen.«
Er ließ sich schwer in einen Sessel fallen und nahm die Abendzeitung vom Tisch. »Ich habe im Schuppen ein bißchen gegessen.«
»Etwas Aufgetautes?« Sie stellte ihr Glas klirrend auf die Marmorplatte des Couchtisches. »Gefrierkartoffeln mit fetter Sauce und so?«
»Ja, Gefrierkartoffeln und so!« Gereizt raschelte er mit der Zeitung.
»Na, es ist dein Magen«, sagte sie achselzuckend. »Ich würde dir ja einen Drink anbieten, aber vermutlich kann das dein Dickdarm im Augenblick nicht ab.«
»Denk du nur an deinen eigenen Dickdarm«, sagte er zornig hinter der Zeitung. »Wie man sieht, führst du ihm ja reichlich Alkohol zu!«
»Oho! Worauf soll das nun wieder hinaus?«
»Das weißt du genau!« sagte er mit zornigem Bedacht. »Eine Flasche Bourbon ist neuerdings kein Problem mehr für dich, nicht wahr? Das große Hobby in den Vorstädten – Hausfrauen, die sich hübsch einen ansaufen, während Papa im Büro sitzt …«
»Bill!«
Er ließ die Zeitung fallen. »Spiel nicht die zornige Unschuldige!« fauchte er. »Hältst du mich für blind? Du trinkst so manchen Quartalsäufer unter den Tisch, Kindchen, das weiß ich sehr wohl!«
»Oh, jetzt fühlen wir uns aber echt schuldig, wie?« gab Karen zurück. »Was ist denn mit dir, mein Schatz? Hattest du einen schlimmen Tag? Oder hast du dich mit deiner zuckrigen kleinen Sekretärin gestritten?«
»Hölle und Verdammnis ..!«
»Ach, meinetwegen brauchst du nicht an die Decke zu gehen!« sagte sie. »Beherrsch dich lieber, Schätzchen. Selbst wenn ich nur ein Auge und drei Pullen Bourbon hinter der Binde hätte, wüßte ich doch, was zwischen dir und dieser schönrednerischen …«
»Jetzt reicht’s!«
»O ja, es reicht!« rief sie. »Ich finde, es reicht durchaus! Du kommst nach Hause und erwartest, daß die treusorgende Annie dir Pfeife und Pantoffeln anschleppt und brav ihren Kakao trinkt. Aber der kleinen Annie steht es bis hier, verstehst du?« Sie packte ihr Glas und leerte es mit einem Schluck.
Hendricks stand auf.
»Wohin willst du?«
»Nach oben«, sagte er leise. »Ich bin gleich wieder da!«
Zielstrebig ging er die Treppe hinauf. Im Schlafzimmer begab er sich auf direktem Wege zur Schublade mit den Hemden und zog sie auf. Sorgfältig hob er die zusammengefalteten Hemden heraus und legte sie aufs Bett. Dann nahm er das zugeklebte Paket hinten aus der Lade und legte es auf Karens Schminktisch.
Er fummelte an dem Klebeband herum, brach sich aber einen Fingernagel ab. Leise fluchend stellte er den Kasten fort und begab sich auf die Suche nach einer Schere.
Er fand nichts – auch kein anderes Werkzeug, das ihm scharf genug erschienen wäre. Er probierte es mit einer Nagelfeile seiner Frau, aber vergeblich.
»Verdammt!« knurrte er.
Er durchsuchte alle Schubladen, auf der Suche nach etwas, mit dem er den Kasten mit der
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