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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Küchenchef abgeben in einem großen Chromrestaurant, in dem die Produktion von Mahlzeiten wichtiger war als die Schaffung von Meisterwerken.
    Sechs Monate gingen ins Land – dann begannen die Schwierigkeiten. Der Anfang, so überlegte M. Roband später, wurde mit einer Poitrine de veau farcie gemacht. Als das Gericht fünf Minuten nach dem Auftragen in die Küche zurückgeschickt wurde, reagierte der Küchenchef schockiert-ungläubig.
    »Der Gast sagt, das Fleisch wäre schrecklich«, verkündete der Kellner. »Soll nach Pfeffer schmecken.«
    »Pfeffer?« fragte M. Roband und machte sich mit einer Gabel an dem gefüllten Kalbsbraten zu schaffen. Er schob einen Bissen in den Mund und ließ ihn auf der Zunge herumrollen. Dann stöhnte er auf, nicht aus Mitgefühl für den Kellner, sondern vor Kummer über das Verbrechen, das hier an dem alten Rezept verübt wurde. »Pfui!« sagte er. »Der Mann hat recht. Wirf das Zeug in den Müll. Ich sorge für Ersatz.«
    Der Zwischenfall war beunruhigend, stellte aber nur den Anfang dar. Zur Mittagszeit wurde ein Omelet Bretonne zurückgeschickt, und M. Roband war viel zu entsetzt, um seinem Zorn Ausdruck zu verleihen.
    »Der Gast findet es zu salzig«, sagte der Kellner.
    »Salzig? Salzig?« M. Roband blies die Backen auf, als wolle er einen Sturm entfesseln. Er schob sich eine Gabel voll auf die Zunge und spuckte den Bissen aus. »Unmöglich! Unglaublich! Ich habe schon zehntausend Omelets Bretonne gemacht! Warum ist ausgerechnet dieses salzig?«
    Zwei Tage später kam die Sole a la Marguery zurück – und dann wurden in einer geradezu alptraumhaften Parade sämtliche Schöpfungen M. Robands retourniert – sogar seine berühmte Spezialität Salmis de Becasse! Immer wieder wurde geklagt, bis sich schließlich der Geschäftsführer persönlich einschaltete.
    »Ich verstehe wirklich nicht viel vom Kochen«, sagte Mr. Jameson, der verbindliche Geschäftsmann. »Aber in letzter Zeit, M. Roband – nun, vielleicht sind Sie müde. Vielleicht brauchen Sie ein bißchen Erholung.«
    »Vielleicht«, sagte M. Roband traurig.
    »Natürlich müssen wir einen Ersatz finden …«
    »Das ist kein Problem«, seufzte M. Roband. »Anton ist durchaus qualifiziert. Er hat im vergangenen Jahr viel gelernt.«
    »Das verdanke ich Ihnen, mon vieux«, sagte Anton salbungsvoll.
    M. Roband war nur zwei Wochen fort, doch für ihn waren es dreihundert einsame Stunden. Er war froh, als die »Erholung« vorbei war.
    »Willkommen«, sagte Mr. Jameson lächelnd. »Es wird Sie freuen zu hören, daß sich Anton während Ihrer Abwesenheit gut gemacht hat.«
    »Das freut mich«, sagte M. Roband schlicht.
    Doch schon am ersten Tag ließen drei wichtige Gäste des Martineau ihre Bestellungen zurückgehen. Ihre Beschwerden fielen deutlich aus, und Mr. Jameson brach eine geheiligte Regel und drang in M. Robands Reich ein.
    »M. Roband …«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte der Küchenchef. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Ich koste jedes Gericht. Anton tut es mir nach; ich verlasse mich nicht allein auf mein Urteil. Ist das nicht so, Anton?«
    »Ja«, sagte der Assistent und blickte Mr. Jameson seltsam an. »Ich koste jedes Gericht, Mr. Jameson.«
    »Und Sie finden ebenfalls alles in Ordnung?«
    Anton zuckte die Achseln. »Dazu möchte ich lieber nichts sagen.«
    M. Roband starrte ihn an. »Wozu möchten Sie lieber nichts sagen, mon ami ?«
    »Es stimmt mich unglücklich, M. Roband. Nach allem, was Sie für mich getan haben.«
    Der Küchenchef blies die Wangen auf. »Was soll das heißen?«
    Der Assistent wandte sich mit grimmigem Gesicht an den Geschäftsführer, als habe er einer Pflicht zu genügen, die ihm mißfiel.
    »Die Gerichte sind nicht gut«, sagte er gepreßt. »Es beschämt mich, M. Roband dies sagen zu müssen. Schließlich war er einmal ein Genie. Aber heute …«
    » Anton!« M. Robands Augen wurden groß wie Untertassen.
    »Es schmerzt mich, so etwas zu sagen, Jules. Aber Sie haben nicht mehr das richtige Gespür.«
    »Das ist eine Lüge!« brüllte der Küchenchef. »Dieser Mann ist ein Lügner, ein Verräter! Ich habe mich nicht geirrt …«
    »Irgend jemand hat aber«, stellte Mr. Jameson leise fest. »Wir sprechen ein andermal darüber.«
    »Nein!« M. Roband ergriff eine Kelle und knallte sie auf den Rand des Herds. »Wir sprechen sofort darüber! Wenn Sie mich hinauswerfen wollen, tun Sie’s gleich! Es gibt hundert Restaurants, die mir sofort das Doppelte Ihres lächerlichen Lohns

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