Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
zahlen!«
    »Ein andermal, M. Roband …«
    »Ich bestehe darauf! Möchten Sie, daß ich gehe?«
    »Wenn Sie das wünschen, M. Roband …«
    »Na schön!« Er riß Mütze und Schürze herunter und warf sie auf den Boden. »Ich kündige! Ich mache Schluß! Ich überlasse Ihnen Anton Verimee, den lügnerischen cochon! Mögen sich Ihre Gäste vor Magengrimmen am Boden winden!«
    Mr. Jameson machte mit zornrotem Gesicht kehrt und verließ die Küche, und M. Roband stampfte zum Garderobenschrank. Anton folgte ihm. Auf seinem kleinen spitzen Gesicht stand ein seltsames Lächeln.
    »Zuviel Salz«, sagte er herablassend und hob den Finger. »Zuviel Pfeffer. Zuviel dies, zuviel das …«
    M. Roband fuhr herum, und die Erkenntnis des an ihm begangenen Verrats traf ihn wie ein Keulenschlag.
    »Sie!« sagte er heiser. »Sie waren das, Anton! Sie haben alles hinzugetan, den Pfeffer, das Salz …«
    Anton verschränkte die Arme und lachte. »Sie behandeln mich wie ein Kind, wie einen Dummkopf. Aber jetzt erweist sich, wer in dieser Küche der Schlaue ist, nicht wahr, M. Roband?«
    Diese Worte führten dazu, daß der beleibte Küchenchef mit Gegenständen zu werfen begann. Er zielte schlecht, der Zorn raubte ihm das Urteilsvermögen, und es dauerte nicht lange, bis Mr. Jameson die Polizei rief.
    M. Roband erfuhr sehr schnell, welche bitteren Früchte dieser Tag brachte. Die besseren Küchen der Stadt, das erfuhr er in mehreren Anstellungsgesprächen, waren ihm verschlossen. Die Geschichte seines Versagens in der Martineau-Küche, die schockierenden Einzelheiten seiner Verhaftung sprachen sich schnell herum. Als er sich über seine Lage längst klar geworden war, verbrachte er noch viele Monate ohne Anstellung, ehe er sich überwand, die Räume eines zweitrangigen Restaurants an der oberen Lexington Avenue zu betreten. Der dortige Geschäftsführer war bei weitem nicht so pingelig, und M. Robands Erfahrung beeindruckte ihn. So wurde er wieder Küchenchef.
    Das Glück währte aber nicht lange. In M. Robands mächtigem Körper saß ein mächtiger Stolz, der seinen Sturz herbeiführte. Er mißachtete die Klagen der Geschäftsleitung über seine zu teuren Einkäufe und wurde nach einem Monat bereits wieder gekündigt. Die nächste Stelle war noch schlimmer. Hier beschwerten sich die Gäste. Nicht seine Fähigkeiten waren schuld daran, sondern der mangelhaft entwickelte Geschmack dieser Leute, und als er höflich aufgefordert wurde, »ein wenig einfacher« zu kochen, stürmte er auf die Straße, die weiße Mütze stolz auf dem Kopf.
    Und so ging es abwärts, von Job zu Job, mit schwindendem Prestige, schrumpfendem Einkommen und sinkendem Selbstvertrauen. M. Roband, einst ein großer Star am kulinarischen Himmel, wurde zur sterbenden Sonne. Ein Fehlschlag löste den nächsten aus, und als ihn eine Schlägerei in der Küche eines Spaghettirestaurants am Broadway die letzte Stellung kostete, sah er das Ende kommen.
    Den Namen des Gifts hatte er nach wochenlangem Suchen in der Städtischen Bibliothek gefunden. Das Pulver war geschmacklos – für M. Robands Plan von besonderer Bedeutung. Auf typisch bombastische Weise gedachte der Küchenchef aus dem Leben zu scheiden. Er wollte die unfreundliche Welt als Gourmet verlassen, den Geschmack eines hervorragenden Essens auf der Zunge.
    Er schob sich von der Bettkante und kleidete sich so sorgfältig, wie es seine heruntergekommene Garderobe zuließ. Dann fuhr er mit dem Taxi zum Martineau-Restaurant in der Dreiundfünfzigsten Straße.
    Das Lokal schien hervorragend zu gehen. Sämtliche Tische waren besetzt. Hinter der Barriere des Samtseils wartete eine lange Schlange. Er fing den Blick des Oberkellners ein und stellte zu seinem Kummer fest, daß ihn der ehrfurchtgebietende Herr nicht erkannte.
    »Tut mir leid, Sir«, begann er, doch M. Roband unterbrach ihn, ehe er die abgestoßenen Manschettenaufschläge und den zerfransten Hemdkragen bemerken konnte, und drückte ihm hastig eine Fünfdollarnote in die gestikulierende Hand. Der Oberkellner lächelte und führte ihn zu einem kleinen Tisch im hinteren Teil des Lokals.
    »Bitte, Sir?« fragte der Kellner in herablassendem Ton.
    »Potage aux bouquets«, bestellte M. Roband. »Homard a la Morlaise, Salmis de Becasse, Salade, kein Nachtisch.«
    »Jawohl, Sir«, antwortete der Kellner; sein spöttischer Ausdruck war verflogen.
    Als er allein war, sah sich M. Roband unter den Gästen des Martineau um. Die zufriedenen Gesichter und die eifrig bewegten

Weitere Kostenlose Bücher