Coole Geschichten für clevere Leser
Bestecke bezeugten die Anerkennung, die das Essen fand. M. Roband war nicht unzufrieden, meinte er doch, daß er, Jules Roband, dem Martineau die besten Rezepte geschenkt hatte, ja sogar den Küchenchef.
Als die Suppe aufgetragen wurde, tauchte er den Löffel in die aromatischen Tiefen und beseufzte ekstatisch den herrlichen Geschmack. Der Hummer war nicht minder köstlich; dennoch wartete er nach diesem Gang gespannt auf die Hauptspeise, auf seinen Salmis de Becasse.
Das Fleisch wurde aufgetragen, umgeben von einem Ring dampfender Kartoffeln, einen köstlichen Duft nach Lorbeer und Thymian verbreitend. Er betrachtete den Teller, die Erinnerungen genießend, die der Anblick heraufbeschwor, und zögerte den Augenblick hinaus, da er die letzte Zutat beimengen würde. Dann griff er in die Tasche, um den kleinen braunen Umschlag hervorzuholen.
Er wußte nicht, was ihn daran hinderte, die Bewegung zu vollenden – vielleicht ein Auflachen an einem benachbarten Tisch, die schnelle Bewegung eines Tabletts in Kellnerhand oder auch nur das instinktive Zurückzucken des Unterbewußtseins vor dem Gedanken an Selbstmord. Jedenfalls hielt er inne und starrte auf den Teller, während ihm der Schweiß auf die bleiche Stirn trat.
Dann schob er den Stuhl zurück und wischte sich mit der Serviette das Gesicht. Der Selbstmord war ihm so einfach erschienen, doch jetzt, da er wieder einmal die wahren Gaumenfreuden genießen durfte, kam ihm das Leben plötzlich wieder etwas lebenswerter vor.
Er wartete einen Augenblick und trank einen Schluck aus dem Wasserglas. Dann hob er langsam das Kinn von der Brust, als gebe es einen überraschenden Sonnenaufgang zu beobachten. Er riß eine Ecke des Umschlags ab und bestäubte das Gericht mit dem dünnen weißen Puder, der sich in der Buttersauce sofort auflöste.
»Kellner!« sagte er heiser.
Der rotbefrackte Mann blickte starr vor sich hin.
»Kellner!«
»Jawohl, Sir?«
»Dieser Salmis de Becasse. Scheußlich!«
»Wie bitte?«
»Die Waldschnepfe schmeckt fürchterlich.«
»Aber Sir, das Gericht ist berühmt! Die Spezialität unseres Küchenchefs …«
»Egal. Das hier taugt jedenfalls nichts. Geben Sie mir die Rechnung, und bringen Sie den Mist fort.«
Der Kellner zuckte die Achseln, kritzelte etwas auf die Rechnung und nahm die Platte vom Tisch. »Wie Sie wollen«, sagte er steif und trug den Salmis de Becasse in die Küche des Martineau.
M. Roband wartete noch etwa fünf Minuten lang und aß von seinem Salat. Als er schließlich aus den Tiefen der Küche den abrupten Schrei hörte, einen Schrei, von dem er wußte, daß er aus der überraschten und mißhandelten Kehle Anton Verimees kam, stand er auf, legte Geld auf die Rechnung und ging mit großen Schritten zur Tür. Er war zwar noch immer hungrig, doch sehr befriedigt.
Die Abrechnung
Als Beverly Hazard einen Finanzberater engagierte, fühlte sich ihr Mann Eugene vor dem Ende einer Ära. Es war eine sehr angenehme Ära gewesen, eine Zeit, da Eugene, ein blonder byronesker Mann, neun Jahre jünger als Beverly, das Geld seiner Frau achtlos und ohne Gewissensbisse unter die Leute gestreut hatte.
»Das Lächerlichste, was mir je untergekommen ist!« sagte er zu seiner Frau, als er von der Neuerung erfuhr. »Ein Taschengeld von diesem – Fremden zu bekommen, wie ein Kind! Ihm alle unsere Rechnungen vorzulegen!«
»Freunden von mir hat er sehr geholfen«, sagte Beverly verträumt und drehte sich vor einem der achtundzwanzig Spiegel in ihrer Villa. »Mr. D. ist wirklich ein sehr kluger Mann, das sagen alle.«
Mr. D. (der mit vollem Namen Duprey hieß) war jedenfalls so klug, sich gleich bei der ersten Zusammenkunft gegen Eugene zu behaupten. Er musterte Eugene durch seine dicke Brille, kratzte sich den buschigen Schnurrbart und bemerkte: »Was soll das heißen – ›nicht genug‹ Ich hätte angenommen, hundert Dollar in der Woche müßten als Taschengeld ausreichen.«
»Das hängt von der Tasche ab«, sagte Eugene herablassend. »Die meine ist nun mal sehr tief. Ich bestehe darauf, daß Sie den Betrag erhöhen.«
»Tut mir leid«, sagte Mr. D. energisch. »Das geht leider nicht.«
»Wer hat Sie dazu ermächtigt, einen solchen Standpunkt zu vertreten?«
»Meine Auftraggeberin«, sagte Mr. D. heiser. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, Mr. Hazard, ich habe viel zu tun. Meine Sekretärin gibt Ihnen draußen den Taschengeldscheck.«
Zwei Tage später rief Eugene bei Mr. D. an und sagte:
»Ich brauche nochmal
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