Coolman und ich. Ein Job für alle Fälle (German Edition)
halten.
»Den Flur runter und die letzte Tür rechts. Da findet ihr die Komparsenkammer«, erklärt der Pförtner und widmet sich wieder seiner Zeitung.
»Was wird denn überhaupt gespielt heute Abend?«, frage ich.
Mir bleibt nur noch eine letzte Chance: Alex und Justin finden das Stück so langweilig, dass sie die Lust verlieren und lieber woanders Geld verdienen, um damit auf dem Jahrmarkt ihre fehlenden 3500 Punkte für die E-Gitarre zusammenzuballern.
»Das Stück handelt vom Kinderkreuzzug«, antwortet der Pförtner, ohne von seiner Zeitung aufzublicken. »Spielt aber nicht im Mittelalter, sondern heute, und die Kids haben keine Schwerter, sondern Kalaschnikows und Handgranaten. Ist eine moderne Inszenierung mit ganz viel Rums und Bums auf der Bühne.«
Ich habe getan, was ich konnte. Mir kann niemand einen Vorwurf machen, egal, was in den nächsten Stunden auch passieren wird.
»Das klingt doch super, Alter!«, ruft Alex.
»Echt, von wegen öde! Ich hab gar nicht gewusst, was hier für spannendes Zeugs läuft. Kinderkreuzzug ist echt laser!«
Ich spare es mir, COOLMAN den Unterschied zwischen Kreuzfahrt und Kreuzzug zu erklären, obwohl das vielleicht ganz gut wäre. Über den Kinderkreuzzug haben wir letztes Jahr in der Schule gesprochen. Der war im 13. Jahrhundert, und da sind von Köln aus Tausende von Kindern nach Jerusalem gezogen, um die Stadt von den Arabern zu befreien. Ich weiß noch, dass Ali, der mit mir in der Klasse ist, damals schrecklich angefangen hat zu heulen, weil er das so ungerecht fand. Am Ende war er der Einzige, der zufrieden gegrinst hat, weil von den Kindern kein einziges in Jerusalem angekommen ist. Die wurden auf dem Weg Richtung Süden alle von anderen Europäern an Sklavenhändler verkauft.
Ich frage mich nur, wo das Theater so viele Kinder hernehmen will? Na ja, mir kann das egal sein. Für mich zählt nur, dass ich heute und die nächsten neunzehn Abende mit 50 Euro in der Tasche wieder nach Hause gehe.
Hinter der Tür zur Komparsenkammer ist es mucksmäuschenstill. Das finde ich seltsam, weil dahinter schließlich Tausende von Kindern auf ihren Einsatz warten. Es sind dann aber doch nur etwa um die fünfzig, die mit dreckverschmierten Gesichtern in alten Kartoffelsäcken stecken und schweigend auf dem Boden hocken.
Direkt hinter der Tür sitzt eine schmallippige Dame an einem Schreibtisch und schiebt uns wortlos ein Formular rüber, auf dem wir unsere persönlichen Daten eintragen sollen. Im Kleingedruckten gibt es auch einen Hinweis, dass wir für alle aufkommenden Schäden zahlen müssen, das Theater aber für nichts haftet, was uns während der Vorführung passiert. Ich zögere einen Moment, weil ich ja weiß, dass das mit dem Kreuzzug kein gutes Ende genommen hat.
Am Ende siegt die Angst vor den Weißrussen, und ich unterschreibe den Wisch.
Die Dame gibt uns im Tausch gegen die unterschriebenen Formulare braune Jutesäcke, in die jemand Löcher für Kopf und Arme geschnitten hat.
»Zieht das an, und haltet die Klappe!«, sagt die Frau, während sie uns mit der rechten Hand braune Farbe ins Gesicht schmiert, damit wir auch richtig schön dreckig aussehen.
»Und was ist mit unseren Kalaschnikows?«, fragt Alex.
»Oh, entschuldigt bitte! Aber da müsst ihr euch noch ein bisschen gedulden. Unser Waffenhändler muss die erst noch in Afghanistan einsammeln«, erklärt die Frau und lächelt Alex und Justin freundlich an.
»Echt wahr?«, fragt Justin begeistert.
»Das war ein Witz!«, faucht die Frau und stellt ihr Lächeln ab, so, wie man eine Lampe mit einem Schalter ausknipst. »Waffen haben nur die richtigen Schauspieler. Ihr seid Komparsen! Ihr seid nichts, ihr seid weniger als nichts! Der Staub auf der Bühne ist mehr wert als ihr. Der bewegt sich wenigstens, wenn man pustet. Aber ihr steht einfach nur rum, und wenn ihr mich fragt, könnte man dafür genauso gut Schaufensterpuppen nehmen. Die sind auf die Dauer auch viel billiger.«
Ihr Blick schüchtert sogar Alex und Justin ein, die schnell ihre Kartoffelsäcke überziehen und sich zu den anderen setzen. Eine kluge Entscheidung, die ich ihnen gar nicht zugetraut hätte.
Ich mache es genauso.
»Hallo, ich bin Kai«, sage ich zu einem Jungen, der neben mir auf dem Boden hockt. »Bist du schon lange dabei?«
Der Junge legt den Zeigefinger auf die Lippen und antwortet erst, als er sicher ist, dass unsere Wärterin nicht hinsieht.
»Meine vierte Aufführung«, flüstert er ängstlich.
»Und was müssen
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