Coolman und ich. Voll auf die zwölf (German Edition)
war der Freund von einem Freund von einem Cousin von mir. Die Geschichte ist echt wahr. Der Junge hat mit seinen Kumpels gewettet, dass er sich traut, im Schlafsack auf dem Friedhof zu schlafen. Und der hat das echt durchgezogen. Irgendwann in der Nacht hat dann das Handy von einem seiner Freunde geklingelt. Aber der hat das nicht gehört, weil er schon gepennt hat. Als er am Morgen seine Mailbox abhört, war da echt eine Nachricht von seinem Kumpel drauf. Der hat vor Angst gebrüllt wie ein Schwein beim Metzger, und danach war nur ein heiseres, kehliges Lachen zu hören. Im Posteingang war dann auch noch eine SMS, die haben alle bekommen, die an der Wette beteiligt waren. Die bestand nur aus drei Wörtern: ›Holt ihn ab!‹ Die sind dann natürlich alle noch vor der Schule zum Friedhof gerast. Und da haben sie ihn gefunden. Seine abgenagten Knochen lagen der Größe nach geordnet auf einem Grab. Und auf dem Grabstein stand der Name des Jungen mit dem korrekten Geburts- und Todestag. Und das ist alles echt wahr und genau so passiert. Das hat mir mein Cousin selbst erzählt.«
»Vielleicht erzählt ihr mir lieber noch ein paar von euren Witzen«, schlage ich vor.
Die sind zwar auch gruselig, aber lange nicht so gruselig wie ihre Horrorstorys. Hätte ich die Geschichte zu Hause gehört, wäre ich jetzt bestimmt nicht so nervös. Aber hier draußen im Dunkeln mitten im tiefen Wald mit seinen seltsamen Geräuschen ist das etwas anderes. Hier ist es genauso schlimm wie auf einem Friedhof. Sogar noch schlimmer, denn so ein Friedhof hat noch eine Pforte, durch die man abhauen kann. Aus diesem Wald finden wir ohne Justins Vater nie wieder heraus. Vielleicht hat Major Horst recht: Wenn ich diese Nacht überlebe, bin ich nicht mehr derselbe wie vorher. Dann kann mich auch ein Rocky Hagen nicht mehr schrecken.
»Die Witze sind alle, haben wir doch schon gesagt, Alter!«, erklärt Alex.
»Wie wäre es mit Märchen?«, schlage ich vor, weil ich jetzt gern irgendetwas Harmloses hören würde.
»Meinst du das Märchen, wo der Wolf die Oma und das Rotkäppchen verschlingt und der Förster ihm dann echt ohne Narkose den Bauch aufschneidet und die beiden da raussteigen, vollgeschmiert mit Blut, Schleim, Glibber und was sonst noch so in einem Wolfsmagen rumschwimmt?«, fragt Justin.
»Oder das, wo die Hexe den Jungen mästet, um ihn als Sonntagsbraten zu essen. Und wo die Schwester die fiese Menschenfresserin dann in den Ofen stößt und sie bei lebendigem Leib verbrennen lässt? Das ist echt krass, Alter.«
Ich gebe zu, das mit den Märchen war keine gute Idee von mir.
Themenwechsel.
»Ich dachte eher an so Geschichten wie die von den drei kleinen Schweinchen«, versuche ich das Gespräch in eine andere, weniger furchterregende Richtung zu lenken.
»Die kenn ich, die kenn ich!«, ruft Justin dazwischen. »Es waren mal drei kleine Schweinchen, die wurden von einem Wolf gebissen. Das war ein Vampirwolf, der war voll gruselig, echt, und außerdem hatte der auch noch ganz schlimm Tollwut.«
Ich kann mich irren, aber in meiner Erinnerung geht die Geschichte anders.
»Der hat die Schweinchen nicht gefressen, sondern für sich arbeiten lassen. Jede Nacht müssen die los und ihm frisches Kinderblut besorgen, weil das echt das Einzige ist, was der Vampirwolf verträgt. Die drei Killerschweinchen streifen dann mit Schaum vor dem Mund durch den Wald und suchen nach Opfern, die sie niedertrampeln und zu ihrem Herrn schleppen können.«
Wahrscheinlich könnte ich heue Nacht mit Alex und Justin über den Wetterbericht reden, es käme trotzdem eine Horrorstory dabei raus.
»›Wenn du nicht brav bist, holen dich drei Killerschweinchen und bringen dich zum tollwütigen Vampirwolf, hat mein Vater immer gesagt ...‹«
Justin stockt.
Er muss dasselbe gehört haben wie ich. Alex auch, das merke ich an seinem Gesichtsausdruck. Er ist ganz blass geworden, und das liegt bestimmt nicht an den Bohnen mit Speck, die es zum Abendbrot gab.
Irgendetwas ist da draußen im Unterholz. Kai kann es nicht sein, denn der hockt zwischen uns und scheint sich ebenfalls zu fürchten. Er hat den Kopf in seinem Beutel versteckt.
Die unheimlichen Geräusche nähern sich, und es besteht kein Zweifel: Wer auch immer da draußen unterwegs ist, er, sie oder es kommt direkt auf uns zu.
»Die drei Killerschweinchen greifen an!«, kreischt Justin und rennt auf einen der Bäume zu, die am Rande der Lichtung stehen. Alex stürmt ihm hinterher, und ich mache es
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