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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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gegeben hat, und zahlreiche Möglichkeiten, eine Leiche verschwinden zu lassen. Lauter Vorteile, die jetzt seinem Gegner zugutekommen könnten.
    Sofern er in den nächsten vier, fünf Stunden auftaucht.
    Wäre der verdammte Hilfssheriff nicht gewesen, hätte er die Sache schon gestern über die Bühne gebracht. Doch als er plötzlich ohne Waffen dastand, blieb ihm nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich zu Ron zu fahren und darauf zu bauen, dass ihm genug Zeit bleiben würde, um Hunt einen angemessenen Empfang zu bereiten. Aber wie es aussieht, bleibt ihm nicht genug Zeit. Und das alles wegen diesem Arschloch von einem Bullen. Gestern hat es ihm noch leidgetan, dass er den Typen erledigen musste – klar ist er ihm in die Quere gekommen, aber andererseits hat er bloß seine Pflicht getan. Doch wenn er jetzt darüber nachdenkt, in was für eine Lage er ihn gebracht hat, ist er froh, dass er den Hurensohn abgeknallt hat.
    Noch ein Blick auf die Uhr. Henry kann nur warten.
    Um zwei Uhr nachmittags überqueren Ian und Diego die Grenze nach Arizona. Ein Schild heißt sie im GRAND CANYON STATE willkommen, doch die Wüste hier sieht auch nicht anders aus als vor zehn Minuten in New Mexico. Ian mag die Wüste, er hat sie schon immer gemocht. Die Wüste ist hart und leer. Sollte es einen Gott geben, lebt er in der Wüste. Hier fallen die Masken der Zivilisation, hier schüttelt man sich nicht lächelnd die Hände, während man sich gegenseitig ein Messer in den Bauch rammt. Die Wüste ist ehrlich: Sie wird dich auffressen, bis nur noch deine Knochen übrig sind, und du wirst die ganze Zeit wissen, was mit dir geschieht. Die Wüste ist, was sie ist, ohne sich dafür zu entschuldigen.
    Und das, findet Ian, hat auch seine Vorteile.
    Er muss husten. Das Husten entwickelt sich zu einem ausgewachsenen Hustenanfall.
    »Nimm mal das Steuer«, stößt er zwischendurch hervor. Er bringt die Worte kaum heraus, doch Diego versteht. Wieder schüttelt es ihn, ein feuchtes, schmerzhaftes Keuchen, das aus der Tiefe seines Körpers dringt. Und als es vorüber ist, laufen Tränen über sein Gesicht, und ein penetranter Metallgeschmack erfüllt seinen Mund.
    Nachdem er sich die Finger an der Hose abgewischt und die Augen gerieben hat, legt er die Hände wieder aufs Lenkrad. »Danke.«
    Diego sieht ihn an. »Sollen wir kurz anhalten?«
    »Nein.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Nein.«
    Ian wirft einen Blick auf seinen Freund. Bestimmt wird er gleich etwas erwidern, zum Beispiel, dass er dringend ins Krankenhaus muss, dass er sich auch mal um sich selbst kümmern muss oder, zum wiederholten Mal, dass sie die Polizei einschalten sollten. Doch Diego sagt nichts, sondern nickt bloß kurz. Und dieses eine Nicken genügt, um Ian klarzumachen, dass er seine Antwort akzeptiert – solange ihm bewusst ist, was er sich antut, wird er ihn dabei unterstützen. Denn er lässt seine Freunde nicht im Stich.
    Diego schaut aus dem Fenster und dreht sich eine Zigarette. »Was denkst du, wann wir da sind?«
    »Bei Sonnenuntergang.«
    Mit einem zustimmenden Grunzen gibt sich Diego Feuer und kurbelt das Fenster einen Spaltbreit herunter.
    Heißer Wind braust durch den Wagen. Ian genießt die frische Luft auf dem Gesicht, auch wenn sie ihn nicht kühlt.
    Vor ihm liegt die graue Straße.
    Noch viereinhalb, vielleicht fünf Stunden, länger sollten sie nicht brauchen. Noch viereinhalb, fünf Stunden, dann kann er seine Tochter in die Arme schließen.
    Maggie hört das Auto kommen. Noch ist es nicht in Sicht, doch Henry hat es offensichtlich auch gehört, denn er steht auf und beugt sich vor, als könnte er es dadurch früher sehen. Beatrice und Maggie bleiben auf dem Bordstein sitzen. Sie hofft so sehr, dass es ihr Daddy ist. Ja, bestimmt ist es Daddy, er ist hier, er wird sie retten, er wird sie in die Arme schließen und von hier wegbringen, für immer weg von hier.
    Ein weißer Toyota biegt um die Ecke. Maggie starrt auf die Gestalt hinter der Windschutzscheibe – das ist nicht Daddy. Der Mann hinter dem Steuer sieht ganz anders aus: ein uraltes, eingefallenes Gesicht, ausgehöhlt von der Zeit. Buschige graue Augenbrauen, geblähte Nüstern. Die Zunge, ein farbloser Fleischlappen, schiebt sich aus dem Mund, fährt einmal über die trockenen Lippen und verschwindet wieder in seinem Loch, wie ein blindes Nagetier, das eine Wildkatze gewittert hat.
    Das Auto wird langsamer, es kriecht auf sie zu, als hätte es Angst vor ihnen. Dabei ist es bloß eine

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