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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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schließen.
    Sein Leben ist eine Abfolge von Fehlern, doch in dieser Sache wird er triumphieren.
    NÄCHSTE AUSFAHRT KAISER steht auf dem Schild am Straßenrand. Während Henry den Blinker setzt und auf die rechte Spur wechselt, schaut Maggie aus dem Fenster auf die Wüste. Sie fühlt sich fast wie im Traum. Die ganze Nacht hindurch sind sie gefahren. Das heißt, beinahe die ganze Nacht. Einmal ist Henry eingenickt, und der Pick-up ist auf den Seitenstreifen gerollt. Dort hat es so stark geholpert, dass er sofort aufgewacht ist und das Lenkrad nach links gerissen hat. Kurz darauf hat er angehalten, und sie haben alle ein bisschen geschlafen. Aber anscheinend nicht besonders lange, denn als Maggie wieder aufgewacht ist, war es immer noch dunkel, und sie waren schon wieder unterwegs.
    Jetzt fahren sie vom Interstate ab auf eine kleinere Straße. Rechts taucht ein Haus auf, davor ein Schild mit der Aufschrift DESERT CAFE . Maggie fragt sich, was es dort wohl zu essen gibt. Wahrscheinlich Sandburger. Und wenn man einen davon in die Hand nimmt, rieselt einem der ganze Sand aus dem Brötchen in den Schoß.
    Na, wie schmeckt der Big Sand?
    Gut, aber ein bisschen trocken.
    Henry fährt weiter. Hinter dem Café kommt nichts als leere Wüste, und die Straße ist von Schlaglöchern übersät. Unkraut sprießt aus Rissen im Asphalt, in der Ferne flimmert die Luft.
    Sie kommen vorbei an einem rostigen Schild voller kleiner Löcher, auf dem die Schrift kaum noch zu erkennen ist. KAISER 8 MEILEN steht darauf. Daneben zeigt ein weißer Pfeil direkt geradeaus.
    »Wir sind fast da, Bee«, sagt Henry.
    »Ich bin heilfroh, wenn ich hier rauskomme«, meint Beatrice.
    Ich auch, denkt Maggie. Sie sind schon viel zu lange unterwegs, sie will endlich aussteigen. Gleichzeitig fürchtet sie sich vor dem Ende der Fahrt, denn sie weiß nicht, was dann passieren wird. Sie fragt sich, warum sie ihren Daddy seit gestern Nachmittag nicht mehr gesehen hat. Hat er sie etwa vergessen? Nein, ganz bestimmt nicht. Er hat sie bestimmt nicht vergessen. Vielleicht hat Borden ihn erwischt. Vielleicht hat er ihn umgebracht, im Auftrag von Henry. Nein. Es gibt keinen Borden, das weiß sie doch. Borden ist eine Einbildung, und selbst wenn er keine Einbildung wäre, könnte er das Albtraumland niemals verlassen. Er ist wie ein Fisch im Wasser – er muss immer an dem tiefen, dunklen Ort bleiben, an dem er geboren wurde. Also kann er Daddy nicht ermordet haben, selbst wenn er keine Einbildung wäre. Ist er aber. Daddy hat sie nicht vergessen, Borden hat ihn nicht umgebracht. Daddy ist auf dem Weg zu ihr, er wird sie retten. Maggie schaut aus dem Rückfenster: Straße, nichts als leere graue Straße. Alles andere ist weit, weit weg und wird immer kleiner, kleiner, kleiner.
    Die Leere nimmt kein Ende. Wüste, Sträucher, merkwürdig geformte Bäume, sonst nichts. An manchen Stellen hat der Wind so viel Sand auf den Asphalt geweht, dass die Straße gar nicht mehr zu sehen ist, bis sie irgendwann doch wieder zum Vorschein kommt. Nach ein paar Meilen tauchen Hügel am Straßenrand auf, farblos wie Berge aus Asche. Der Boden wirkt nicht mehr ganz so weich. Dann eine große graue Grube – ihre Wände fallen stufenweise ab, immer tiefer und tiefer, wie eine Treppe für Riesenmenschen. Am Rand stehen kaputte Maschinen, am Grund glänzt blaues Wasser, das erste Wasser seit Langem.
    »Eisenmine«, meint Henry. »Haben sie in den Siebzigern dicht gemacht.«
    Fünf Minuten später erreichen sie eine kleine Stadt in einer Senke zwischen niedrigen Hügeln. Eine einsame, verfallene Stadt. Wohnt hier überhaupt noch jemand? Da sind Häuser, aber keine Menschen. Niemand zu sehen, völlige Ruhe. Nicht mal ein Hundebellen stört die klare, stille Luft.
    »Scheiße«, sagt Henry.
    Langsam rollen sie die Hauptstraße hinauf, vorbei an einer Tankstelle mit eingeschlagenen Fensterscheiben. Neben der Tür entdeckt Maggie einen umgestürzten Cola-Automaten, der mit einem Baseballschläger, einer Brechstange oder einem Vorschlaghammer bearbeitet wurde. Dahinter, auf der anderen Straßenseite: ein Supermarkt. Auch dort ist niemand zu sehen. Es ist mitten am Tag, doch bis auf die Büsche, die aus den Rissen im Asphalt wachsen, ist der Parkplatz leer. Die Fensterfront des Ladens wurde eingeschlagen, überall liegen Konservendosen herum. Vielleicht Rote Bete oder Limabohnen, denkt Maggie. Irgendwas, das überhaupt nicht schmeckt.
    An der nächsten Ecke stoßen sie auf eine verlassene Schule.

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